An den Intendanten des BR

Lieber Ulrich Wilhelm,

als Intendant des Bayerischen Rundfunks bekommen Sie wahrscheinlich eher selten Fanpost aus Hamburg. Das mag an der räumlichen Distanz oder aber an der Hassliebe zwischen München und Hamburg liegen. Vielleicht aber auch daran, dass wir hier den NDR haben, über den wir uns aufregen oder ihn loben können. Heute ist jedoch einer dieser seltenen Tage, an denen Sie auch mal „Post“ aus Hamburg erreicht. Der Grund: diese Pressemitteilung aus Ihrem Hause. Die Überschrift lautet: „PULS Playground: Der neue Spielplatz für Actionsportler.“ Damit rennen Sie in St. Bergweh natürlich offene Türen ein. Und sicher nicht nur da. Schließlich sind Action- und Lifestylesportarten mittlerweile für einige Generationen das, was in Ihrer Jugend (ich hoffe, ich trete Ihnen damit persönlich nicht zu Nahe) der Vereinssport war. Aber vielleicht erkläre ich noch einmal kurz, worum es bei Puls Playground eigentlich geht:

Puls Playground: Das neue Actionsport-Magazin des Bayerischen Rundfunks startet am 27. Februar 2015 (Bild: BR/Markus Konvalin)
Puls Playground: Das neue Actionsport-Magazin des Bayerischen Rundfunks startet am 27. Februar 2015 (Bild: BR/Markus Konvalin)

Unter Federführung Ihres Programmbereichs Puls hat Ihr Sender gerade ein „multimediales Angebot für eine junge, sportliche Zielgruppe“ gestartet. Wow! Das klingt so, als hätte der BR den Sprung ins „neue“ Jahrtausend geschafft und gleichzeitig erkannt, dass er als gebührenfinanzierter Sender einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung bisher aufgrund fehlender Inhalte indirekt ausgegrenzt hat: junge Menschen. Puls Playground hat dabei den Anspruch „kompetent, journalistisch und kritisch über angesagte Themen aus der Szene“ zu berichten und dabei auf die „bloße Zurschaustellung extremer Hochglanz-Sportbilder“ zu verzichten. Das klingt zwar noch ein wenig steif, aber das muss wohl so sein bei den Öffentlich-Rechtlichen. Ich vermute, das soll so viel heißen, wie: „Wir checken für euch, was so abgeht auf den Actionsport-Spielplätzen dieser Welt und sagen euch, was #omg oder eher #wtf ist.“

Das hört sich vielversprechend an, deshalb mein Tipp: Schauen Sie doch mal bei deinpuls.de/playground, Facebook und Instagram vorbei, wenn Sie mögen, und überzeugen Sie sich davon, was Ihre Mitarbeiter da Kreatives aus dem Boden gestampft haben, um bereits vor der ersten Sendung die Puls-„User“ mit aktuellen Actionsport-Themen zu versorgen – am besten nach Feierabend, damit es keinen Ärger bzgl. der Nutzung von Social Media Plattformen am Arbeitsplatz gibt. Was Sie da sehen, ist Community Building – oder übersetzt in Ihr Vokabular: Zuschauergewinnung und vor allem -bindung. Sie holen die jungen Zuseher da ab, wo sie sich sowieso bewegen, nämlich online. Bieten die Möglichkeit der Beteiligung und des Austauschs, vielleicht auch der Selbstdarstellung, aber so ist das nun mal heutzutage. Und das Ganze wird dann verschränkt mit dem klassischen BR TV-Programm.

Der Ansatz klingt gut, finden Sie nicht auch? Dann halten Sie sich den 27. Februar 2015 frei, denn da geht die erste Puls-Playground-Folge an den Start. Stellen Sie sich ein alkoholfreies Bier kalt und schalten Sie rechtzeitig den BR ein, der auf ihrem TV wahrscheinlich vor ARD, ZDF und den anderen Landesprogrammen auf Programmplatz Nummer 1 liegt – geben Sie es ruhig zu, ist nicht schlimm … Jetzt habe ich aber eine Vorahnung und empfehle, dass Sie sich vielleicht doch eher ein „normales“ Bier besorgen und am besten ein paar mehr davon. Denn es könnte sein, dass Sie nicht nur sehr lange erfolglos vor dem heimischen Fernseher sitzen, sondern dass Sie sich auch noch ziemlich ärgern werden, da Sie trotz des langen Wartens keine Sekunde der Premierensendung sehen werden. Denn sie läuft gar nicht beim BR, sondern lediglich im Netz unter deinpuls.de/playground sowie in EinsPlus (21.15 Uhr / 23.30 Uhr) und damit in einem TV-Kanal, der bereits im vergangenen Jahr formell beerdigt wurde. Und der in den meisten Fällen auf den Programmplätzen >30 liegen und entsprechend wenig Zapper erreichen dürfte. Der BR hätte dagegen mit seinen rund 7% durchschnittlichem Marktanteil im Sendegebiet (Quelle: MDR) schon eine ganz andere Reichweite.

Stellt sich mir also die Frage: Warum nutzt der BR nicht diese tolle Chance, die er sich selbst mit dem hauseigenen Puls-Programmbereich ermöglicht, um eine sinnvolle Verknüpfung des traditionellen TVs mit den Möglichkeiten der digitalen Welt und damit mit den Bedürfnissen junger Menschen zu realisieren? Warum bekommen Formate wie Landgasthäuser, freizeit oder Schuhbecks, die Zuschauer mit einem Altersdurchschnitt über dem Doppelherzchen Lebensanfang haben, einen festen Sendeplatz beim BR und Puls Playground nicht? Ist Ihnen der Aufwand, einen regelmäßigen Sendeplatz für dieses junge Programm zu schaffen, zu hoch? Scheuen Sie den Konflikt mit den alteingesessenen Sendeplatzverteidigern in Ihrem Haus oder Ihrem – ok, etwas überspitzt – teils greisen Publikum? Checken Sie einfach nicht, dass es um die Zukunft Ihres Senders geht? Oder haben Sie den Kampf bereits aufgegeben und wollen nur noch Ihre persönlichen Schäfchen ins Trockene bringen?

Fühlen Sie sich bitte durch diesen offenen Brief und die provokanten Fragen nicht persönlich angegriffen oder demotiviert. Im Gegenteil: Er sollte Ihnen Mut, Kraft und Zuversicht geben, dass es sich lohnt, an eine Sache zu glauben. Dass Progression gut und nötig ist. Und dass man auch mal was wagen muss, um voran zu kommen. Denn das machen Action- und Lifestylesportler – also diejenigen, die Sie mit Puls Playground erreichen wollen – an all den Tagen, an denen sie ihrer Passion folgen. High Five, werter Herr Wilhelm.

In freudiger Erwartung einer Antwort, der ich gerne den gleichen Raum einräumen werde, wie meinem „Brief“ an Sie
Der St. Bergweh Hüttenwirt