Alternative Überschrift: „Oma Eichler und die Prima Ballerina“. Aber eins nach dem anderen… Die erste News ist eigentlich, dass es im Gemeinderat von ST. BERGWEH zwei neue Gesichter gibt, die sich zukünftig ehrenamtlich in die Weiterentwicklung dieser norddeutschen Enklave für Outdoor- und Bergsportbegeisterte einbringen werden. Ihr Spezialgebiet: Klettern und Bouldern. Hinzu kommen Kompetenzen in den Bereichen Camping und Vanlife, Skitouring und Ernährung – und vielleicht entdecken wir ja gemeinsam noch weitere Talente von den Beiden. Statt einer langweiligen Autorenvorstellung – die gibt es irgendwann später – hier einfach mal ihr erster gemeinsamer Blogbeitrag auf ST. BERGWEH und die Bitte, dass ihr die Beiden herzlich willkommen heißt und gerne Feedback gebt.
Moin! Dies ist nun also tatsächlich unser erster Blogeintrag zum Thema Klettern bei ST. BERGWEH. Wir sind mega gespannt, wie der bei euch ankommt und ihr dürft gespannt sein, was noch so alles von uns folgen wird. Wir? Das ist einmal mein Seilpartner Lukas, unter 30 Jahre, und ich selber, Sören, über 30 Jahre alt. An der fröhlich-norddeutschen Begrüßung habt ihr sicher schon erkannt, dass zumindest meine Wenigkeit aus dem hohen Norden stammt. Ja genau: dieser Norden oberhalb der Elbe, wo die höchste Erhebung der Deich ist und es im Umkreis von gefühlt 400 Kilometern genau einen natürlichen Boulderblock zu geben scheint. Zu der Frage, wie man an diesem Ort auf die absurde Idee kommt, irgendwelche Felsen besteigen zu wollen, an anderer Stelle vielleicht einmal mehr. Im nun Folgenden soll es aber erstmal ums Hier und Jetzt gehen.
Wir Beide klettern und bouldern zwar schon länger, jeder über zehn Jahre, aber kennengelernt haben wir uns erst vor einem knappen Jahr. Und die eigentliche Geschichte begann im letzten Spätsommer. Lukas war nach fünf Jahren in Österreich mit einem Faible für einen für mich komplett unverständlichen Dialekt und einer Vorliebe für „sehr kleine Leisten“ nach Deutschland reimmigriert. Wir trafen uns, wie sollte es anders sein, im Flashh – dem Hamburger „Place to be“ für Plastikgriffathleten. Ziemlich schnell stellten wir fest, dass wir Beide gerne mal eine harte Multipitch-Sportkletterroute klettern wollen würden – was auch immer das für unsere Fähigkeiten heißen mochte.
Die Prima Ballerina
Lukas hatte auch sofort eine Idee: die Prima Ballerina (Schwierigkeitsgrad 7b) an den Drei Zinnen in den italienischen Dolomiten. Er war ein Jahr zuvor die Route als Wasserträger nachgestiegen und jetzt ziemlich erpicht darauf, das Ding selbst zu punkten. Das war eine Ansage. Harter Grad, über 300 Meter lang, auf knapp 3.000 Metern Höhe und dazu noch leicht überhängend. Dafür sei laut Lukas das Panorama grandios, die Tour recht sporadisch – dafür aber mit neuen – Haken ausgestattet und der Speck eh das Wichtigste am Berg. Ich war (natürlich) sofort begeistert! Einziges Problem: Ich bin am Fels noch nicht schwerer als 7a+ geklettert. Aber von solchen Kleinigkeiten lässt man sich selbstverständlich nicht aus der Ruhe bringen. Trotzdem war klar, dass wir eine ordentlich Schippe zulegen mussten.
Für den Winter entwarf ich also einen Trainingsplan, den wir brav abackerten. Wer an seine Grenzen gehen will, braucht einen harten Plan – so zumindest die Idee. Der Plan war auch hart, nur leider unser Immunsystem nicht. Wir wurden in dieser Zeit mehrfach krank, was irgendwie ein Indiz dafür war, dass der Trainingsplan einen Tick zu heftig für uns gewesen sein muss. Oder vielleicht die Regenerationszeit zu kurz? Jedenfalls lernten wir daraus und passten den Plan an. Gefühlt wurde man stärker. Nur leider sahen das die vor dem Beginn gemessenen Vergleichswerte nicht ganz so wie wir, auch die Boulder und Routen, die wir in den Hallen kletterten, wurden nicht unbedingt leichter. Zu dem Zeitpunkt glaubte ich nicht ansatzweise, dass die Prima Ballerina möglich sein könnte. Waren wir im Winter nun wirklich stärker geworden oder bildeten wir uns das nur ein? Ein erster Formcheck sollte her.
Zu Besuch bei Oma Eichler
Das Wetter wurde gerade wärmer, Ostern hatten wir frei und so fuhren wir mit meinem alten VW Bus ins Frankenjura – für mich das erste Mal an diesem kletterhistorischen Ort. Wir wollten vier Tage klettern mit einem Ruhetag dazwischen. Waren wir nun gut trainiert aus dem Winter gekommen und hatten lediglich die Schrauber die Messlatte unbewusst mit unserer Leistungskurve verschoben oder sollte es eine Niederlage auf ganzer Linie werden?
Wir wollten viele Klettermeter machen, uns an den Fels gewöhnen und erstmalig auch unsere neuen Expressen von Edelrid testen. Als angehender Alpinist merkt man schnell, dass es sich sehr lohnen kann, das eine oder andere Gramm zu sparen. Da kamen uns diese Geheimwaffen gerade recht: Super leicht, gerade einmal 43 Gramm pro Set, aber auch klein. Waren sie praxistauglich fürs Klettern und würde sich die Gewichtsersparnis merklich rentieren? Zu unseren Erfahrungen mit den neuen Expressen wird es einen gesonderten Blogeintrag geben. Aktuell warten wir noch auf ein Statement der Firma Edelrid zu einer Anfrage, die wir nach unserem Test hatten.
Unsere erste Station war das Trubachtal in der Fränkischen Schweiz im Städtedreieck Bayreuth, Bamberg und Nürnberg im Norden Bayerns, wo wir standesgemäß auf dem Zelt- und Campingplatz des Gasthofs „Oma Eichler“ residierten. Nach wie vor sehr zu empfehlen. Alles was man an Topo, Kuchen oder Bier nicht dabei hat, bekommt man hier.
Tag 1: Orang Utan Style
Am ersten Tag kletterten wir problemlos einige leichte Routen zur Eingewöhnung und verlagerten unsere Aktivitäten am späten Nachmittag in die Wolfsberggrotte. Hier gäbe es eine 7b+ mit dem klangvollen Namen Orang Utan, welche mir laut Lukas vom Style her liegen könnte. Nur soviel: Ich bin relativ groß… Orang Utan… Jetzt sollte es Klick machen. Die Route zieht zirka 16 Meter durch einen Höhle und ist in der Mitte waagerecht überhängend. Dafür steckt man seine Extremitäten in riesige Löcher und kann gefühlt aus 100 Griffen wählen.
Ich checkte die Route aus und lernte die einzelnen Züge ziemlich flott. Die Abfolge der Kletterzüge war nicht das Problem, sie aber alle an einem Stück zu klettern, das war die Herausforderung. Lukas checkte die Route ebenfalls aus. Da er aber knapp 14 Zentimeter kleiner ist als ich, tat er sich an einer Stelle deutlich schwerer. Er entschied für sich, hier keine weitere Energie in die Route zu stecken.
Tag 2: Aller guten Dinge sind drei
Am nächsten Tag wollte ich frisch ausgeruht versuchen, die Route durchzusteigen. Wir ließen uns von der aufgehenden Sonne aufwärmen und frühstückten ausgiebig. Rührei, Bacon und Stark Protein Porridge. Das geile Zeug stellt Lukas in seinem eigenen Unternehmen her und es schmeckt wirklich. Danach eine kurze Dehnungseinheit. Andere würden Yoga sagen, aber Dehnen ist ja quasi das gleiche in old school. Naja fast. Aber ich kann halt kein Yoga. Und so bogen wir uns fleißig und belustigten dabei bestimmt den einen oder anderen unserer Campingplatznachbarn.
Die Exen hatten wir über Nacht in der Route hängen lassen und beim Abendbrot über eine alternative Beta am Einstieg philosophiert. Ich probierte im ersten Go die alte Beta und kletterte. Ich war überrascht, wie ich immer weiter und weiter kam. Beim vorvorletzten Zug, einem rettenden Griff an einen guten Henkel ging mir die Hand auf. Meine Unterarme waren dick gepumpt, Ich rutschte ab und fiel. Eigentlich ärgerlich, aber ich freute mich, dass ich überhaupt soweit gekommen war. Für den zweiten Go probierte ich die neue Beta am Anfang aus und sie war viel leichter, als das, was ich vorher mit Kraft kletterte. Kurz vor dem besagten Henkel griff ich jedoch mit rechts an einen falschen Seitgriff und schaffte es nicht, den Zug an den Henkel anzusetzen.
Nach etwa 40 Minuten Pause versuchte ich meinen dritten Go. Im unteren Teil kletterte ich die kraftsparende Passage flüssig, im mittleren Teil spulte ich verlässlich meine ausgearbeitete Griffsequenz ab. Mit Rechts nahm ich diesmal den richtigen Seitgriff, zog zum Henkel und erreichte ihn nur mit einem lauten stöhnen – aber ich hielt ihn fest. Glücksgefühle und ein Gedanke fluteten meinen Kopf: Sollte ich gerade tatsächlich meine erste 7b+ klettern? Ich tat es. Der Wahnsinn! Ich freute mich mega und das war aufgrund meines breiten Grinsens auch für niemanden zu übersehen. Danach folgten noch 20 Minuten kompliziertes Abbauen der Route durch das Dach der Grotte. Am Boden angekommen, völlig zerstört, aber eben glücklich, gratulierte mir Lukas herzlichst zu meinem Erfolg.
Am Nachmittag probierten wir die historische Route Fight Gravity, die Lukas testen wollte. Mit dem Grad 7a bewertet, sollte sie eigentlich für uns machbar sein. Aufgrund der großzügigen Bohrhakenabstände entschieden wir uns, zunächst ein Toprope einzuhängen und von oben die Griffsequenzen auszubouldern. Der schwierige Teil soll der obere ab der letzten Expresse sein. Die Sequenz fand Lukas schnell raus und konnte sie danach sicher einstudieren. Im unteren Teil, vom Miniüberhang weg jedoch, zeigte sich eine neue Problematik. Die Route war seit über 30 Jahren eingebohrt und hatte einen großen Bekanntheitsgrad. Die Reibungstritte waren so speckig und glatt, dass wir keinen halt auf ihnen fanden. Nur mit Glück schafften wir beide diesen Zug. Die Sonne dämmerte schon und wir mussten ohne Durchstieg zum Campingplatz zurückkehren.
Tag 3: Erholung für Körper und Geist
Am Restday zeigte mir Lukas seine Pfannkuchenskills, indem er eindrucksvoll bewies, wie man auch beim Campen problemlos ohne Mixer und mit wenig Aufwand super Pfannkuchen machen kann. Alle Zutaten füllte er in eine Tupperware Box, Deckel drauf und kräftig schütteln – fertig ist der Teig. Und das Beste: Wenn man nicht den gesamten Teig verbraucht, schließt man die Tupperware und stellt sie in den Kühlschrank. Für den nächsten Morgen! Es war bestimmt keine neue Erfindung, aber ich war begeistert! Pro-Tipp: Nimmt man so einen Shaker aus dem Fitnessbereich, geht das ganze noch besser.
Den restlichen Tag verbrachten wir mit in der Sonne liegen und in die Sauna gehen – beides in der Hoffnung, dass es sich nicht negativ auf unsere Haut an den Fingern auswirken würde.
Tag 4: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Gut erholt, starteten wir in den dritten Klettertag. Wir hatten eine neue historische Route in Aussicht: die Chasin´ the Trane (7c) im Krottenseer Forst. Sie wurde im Jahr 1981 von dem US-Amerikaner John Bachar erstbegangen und damals mit dem Schwierigkeitsgrad 8a bewertet. Hätte sich der Grad damals bestätigt, wäre es die erste Route im unteren zehnten Grad in Europa gewesen. Nur wenige Tage später konnte Wolfgang Gullich die Begehung wiederholen.
Nach dem Aufwärmen stiegen wir in die knapp 30 Meter lange Route ein. Unten leicht überhängend, in der Mitte eine leichte Verschneidung und oben heraus noch eine positiv geneigte Platte. Drei verschiedene Styles machen die Route abwechslungsreich, aber auch zu einer Herausforderung. Die Schlüsselstelle ist beim Übergang zwischen leicht überhängend zur Verschneidung. Lukas konnte die zwei entscheidenen Leisten festhalten und fing am Nachmittag mit den ersten Durchstiegsversuchen an. Ich hatte bis zum Ende des Tages Probleme, die Schlüsselstelle zu knacken und auch Lukas fiel an eben jener bei seinen Gos. Eine super schöne Route. Ein ehrlicher 9. Grad. Kein Geschenk. Und beim nächsten Besuch, werden wir sie knacken! Dieses Mal haben wir allerdings noch auf den Deckel bekommen.
Tag 5: Fazit
Am letzten Tag kletterten wir nur noch im Sonnenschein die im Kletterführer mit Sternen versehenen Routen: fünf Siebener und zwei Achter – was am Ende des Tages betrachtet auch keine schlechte Bilanz war. Insgesamt also eine erfolgreiche Woche. Eine persönliche Bestleistung für mich. Viele mittelschwere Routen. Und zum Grad 7c ist es auch nicht mehr weit. Für das weitere Training konnten wir auch Rückschlüsse ziehen. Entscheidend würde in den nächsten Wochen sein, dass wir das eine oder andere Mal noch am Fels klettern können. Jetzt denke ich, die Prima Ballerina ist zumindest möglich, wird einem aber auch nicht geschenkt. Darüber hinaus machen wir uns noch Gedanken, was und welche Ausrüstung wir mitnehmen. Einen Rucksack auf dem Rücken oder lieber Haulbag zum Hochziehen? Beim Klettern am persönlichen Limit sollte man leicht ausgerüstet sein. Ist es das Wert und wieviel kann man eigentlich an Gewicht bei der Ausrüstung einsparen? Dazu mehr im nächsten Blogbeitrag.
St. Bergweh Musikvideo
Das obligatorische ST. BERGWEH Musikvideo, das traditionell jeden Blogbeitrag abschließt, ist extra für Sören, damit er endlich langsam mal mit den verschiedenen österreichischen Dialekten klarkommt: Ham kummst von Seiler und Speer. Und natürlichen sollen die Zwei auch immer gesund und halbwegs munter von ihren Klettertrips nach Hause kommen.