#NOLYMPIA vs. #showusequal

Stell dir vor, es sind Olympische Spiele und keiner geht hin. Dass das langjährige Wunschdenken zahlreicher Olympiagegner zur heutigen offiziellen Eröffnung der Olympischen Sommerspiele 2020 im japanischen Tokio wahr werden sollte, hätte vor anderthalb Jahren sicher niemand erwartet. Aber was ist seit Beginn der Coronapandemie schon noch „wie immer“? Moment: An einer Sache, auf die ich durch einen offenen Brief des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) mit der Überschrift #ShowUsEqual aufmerksam geworden bin, hat sich auf jeden Fall nichts geändert: die Benachteiligung von Athletinnen gegenüber ihren männlichen Kollegen in der Sportberichterstattung. Ein Rant, für den ich über meinen eigenen Schatten springen musste.

#ShowUsEqual: Als Zeichen für die bestehende Benachteiligung von Sportlerinnen in der Sportberichterstattung – eine Socke für die Männer (90%) und eine für die Frauen (10%)
#ShowUsEqual: Als Zeichen für die bestehende Benachteiligung von Sportlerinnen in der Sportberichterstattung – eine Socke für die Männer (90%) und eine für die Frauen (10%)

#Nolympia in SAnkt Bergweh

Wer diesem Blog schon ein Weilchen folgt, dürfte wissen, dass es in Sankt Bergweh niemals Olympische Spiele gegeben hätte – zumindest keine unter Federführung des „die olympische Idee missbrauchenden“ (spiegel.de), „die eigenen Werte verratenden“ (sportschau.de) oder einfach „korrupten“ (cicero.de) Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Ich habe mich öffentlich gegen Olympische Spiele in Hamburg ausgesprochen (u.a. in einem Gastbeitrag auf dem Hamburger Lokal-Blog elbmelancholie.de) und kann wenig mit Lifestyle-Sportarten wie Snowboarden oder Skateboarden als Olympischer Disziplin anfangen. Doch für eine Aktion des DOSB springe ich über meinen Schatten: den offenen Brief des DOSB an den Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e.V. (BDZV), den ARD-Vorsitz, den ZDF-Intendanten und die Verband Privater Medien e.V. (VAUNET) vom 7. Juli 2021, der auf die noch immer weit verbreitete „Benachteiligung von Athletinnen gegenüber ihren männlichen Kollegen in der Sportberichterstattung aufmerksam macht und zu einer ausgewogenen und gleichwertigen Sportberichterstattung … – ohne stereotype und diskriminierende Darstellungen von Sportlerinnen in Wort und Bild“ anregen soll.

#showusequal in Sankt Bergweh

Mit der Eröffnung der diesjährigen Olympischen Spiele in Tokio beginnen – und das verdient tatsächlich Applaus, weil es gar nicht so selbstverständlich ist – die ersten geschlechterparitätischen Olympischen Spiele in der Geschichte. Das bedeutet, dass erstmals ebenso viele Athletinnen wie Athleten gegeneinander um Ruhm, Ehre und – fast vergessen – Preisgelder zwischen 20.000 EUR (Deutschland) und 850.000 EUR (Singapur) antreten.

Neben der Aussage des Fotos wichtig: Stutzen kauft weder Mann noch Frau von Adidas, sondern von DIIY im St. Pauli Fanshop (Foto: DOSB)

Eine Sache stößt den DOSB-Verantwortlichen rund um deren Vizepräsidentin Frauen und Gleichstellung Dr. Petra Tzschoppe jedoch auf: „Ungeachtet der Leistungen von Sportlerinnen werden die Inhalte von (Sport-)Medien immer noch vom Männersport dominiert. Aktuell bekommen Athletinnen, mit Ausnahme von Großveranstaltungen wie Olympischen Spielen und Paralympischen Spielen, in der Sportberichterstattung durchschnittlich nur 10 Prozent der medialen Aufmerksamkeit“, kann man in dem offenen Brief nachlesen.

Eine Folge, die unter anderem aus dieser über Jahrzehnte andauernden extremen Ungleichheit resultiert, ist: 42 Prozent der Jungen im Alter von 6 bis 13 Jahren hat ein Vorbild aus dem Sport, bei Mädchen sind es lediglich 4 Prozent.

Zu diesem wie ich finde erschreckenden und gleichsam wenig überraschenden Ergebnis kommt eine Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (KIM-Studie 2020, S. 26), in der die Mediennutzung von 6- bis 13-jährigen Kindern untersucht worden ist. Sie ist ein erneuter Beleg dafür, dass es nach wie vor wichtig ist, viel mehr und an ganz vielen unterschiedlichen Baustellen für die Gleichstellung zwischen Mann und Frau zu kämpfen.
Das Ganze gilt nämlich auch für den Outdoor- und Action-Sport. Bereits 2014 hatte ich dazu mit der Kajakerin Amber Valenti gesprochen (EOFT 2014/15: (Still) A Man’s World), die mit drei Freundinnen in der östlichen Mongolei den längsten freifließenden Fluss der Welt abgepaddelt haben und deren Film darüber auf der damaligen European Outdoor Film Tour (EOFT) zu sehen war – als einer von nur zwei Filmen mit Protagonistinnen bei insgesamt neun Filmen. 2018 kochte das Thema in der Outdoor-Blogger-Szene noch einmal richtig hoch: Die EOFT hatte es geschafft, Filme für die Tour 2018/19 auszuwählen, bei der auf 14 Protagonisten lediglich eine Protagonistin kam (Nothing Without a Woman or a Girl).
Der Bayerische Rundfunk schaute zu dem Thema 2017 auch mal hinter die Kulissen des Munich Mash – dem damals größten Actionsport-Event Deutschlands: In keiner der drei Disziplinen BMX, Skateboarden oder Wakeboarden durften Frauen antreten. Das ist dann auch die einzige Ausrede, die man seitens der Medien gelten lassen kann: Wenn erst gar nicht an Sportevents teilnehmen dürfen, kann auch nur schwer über sie berichtet werden.


Deshalb der #ShowUsEqual-Appell an aller Leser:innen: Solange wie noch kurze Hosen und Röcke getragen werden können, kurze und lange Socke mixen, um ein Zeichen zu setzen – aus Respekt und Fairness gegenüber den Tausenden von Sportlerinnen und Nachwuchssportlerinnen in Deutschland. Und der Appell an die Verantwortlichen in den Medien, die Forderung nach Gleichstellung in der Sportberichterstattung bei zukünftigen Redaktionsentscheidungen zu berücksichtigen.

Buchtipp: Heroes von Jérôme Tanon – ein fotografisch beeindruckender Porträt-Bildband über die besten Snowboarderinnen der Welt als Inspiration für (junge) Frauen und als „Aufklärung“ für (junge) Männer

ST. BERGWEH MUSIKVIDEO

Das obligatorische ST. BERGWEH Musikvideo, das traditionell jeden Blogbeitrag abschließt, ist ausnahmsweise ein Video eines sinnfreien Brauseherstellers (ich mache deshalb jetzt mal den Ronaldo und sage: No Energy Drink – Drink Water). Aber der Haupt-Song von Cherry Glazerr „Had Ten Dollaz“ ist heftig, aber noch viel beeindruckender ist das, was die Damen da in den Schnee stellen.

Cherry Glazerr – Had Ten Dollaz