Es werde (Berg-)Licht

Die Holzgestein Berglampe in der St. Bergweh Berghütte

Bergweh ist schrecklich und schrecklich schön zugleich. Da ist diese schmerzhafte Sehnsucht – und gleichzeitig dieses grandiose Gefühl, zu wissen, dass da etwas ist, was einen glücklich macht. Das Team des Start-ups Holzgestein hat diesen besonderen Zustand nun in ein spannendes Interior-Produkt übersetzt und als Kickstarter-Kampagne an den Start gebracht: die erste 3D-Berglampe.

Die Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter ging gestern online und läuft bis 18. Juli. Als Belohnung für die Vorbestellung, erhält man die außergewöhnliche Lampe für einen Preis ab 49 EUR, statt der späteren 79 EUR. Ausgeliefert werden soll dann im/ab August. Anschließend wird man die Lampe dann im eigenen Online-Shop unter holzgestein.com bestellen können.

Erste Eindrücke der Holzgestein Berglampe

Die Holzgestein Berglampe in der St. Bergweh Hütte in der Südheide
Die Holzgestein Berglampe in der St. Bergweh Hütte in der Südheide

Die Lampe ist erstmal in Form von zehn ikonischen Bergen aus der ganzen Welt zu haben: Mount Everest, Mount Fuji, Matterhorn, Mont Blanc, Zugspitze, Großglockner, Vesuv, Kilimanjaro, Mount Rainier und Mount St. Helens. Später (oder auch schon als Stretch-Goal während der Kickstarter Kampagne) sollen auch individuelle Bergwünsche ermöglicht werden – dank 3D-Druck und einer ausgeklügelten Programmierung.

Fridolin von Holzgestein hat uns angeboten, das direkt unter Beweis zu stellen. Wir haben uns für den legendären La Meije entschieden, der im französischen Nationalpark Écrins mit seinen 3.984 Metern über dem Freeride-Sehnsuchtsort La Grave thront.

Individualisierte Holzgestein Berglampe des La Meije
Noch ein Einzelstück: die Holzgestein Berglampe des La Meije

Das Licht der Lampe lässt sich tatsächlich innerhalb eines sehr praxistauglichen Spektrums dimmen: von angenehm warmen Nachtlicht bis zu einer Helligkeit, die bei der richtigen Platzierung tatsächlich Lesen ermöglicht. Das Holz und der Kontrollknopf wirken wertig und der 3D-Bergdruck in klarem weiß auch im ausgeschalteten Zustand sehr realitätsnah und dekorativ. Gerade die Individualierung – also dass man sich den eigenen Lieblingsberg als Lampe in die eigenen vier Wände holen kann – finden wir spannend. Unserer Erfahrung nach sind es eben nicht zwingend die bekannten Bergikonen, die die meisten Bergmenschen reizen, sondern Berge, zu denen man aus den verschiedensten Gründen eine persönlich Beziehung entwickelt hat.

Tipp: Regelmäßig und vorsichtig Staub wischen. Der 3D-Druck ist zwar nicht super-sensibel, aber eben schon filigran und nicht sonderlich schlagresistent. Um mehr zu erfahren, haben wir Fridolin ein paar Fragen gestellt, in denen er mehr zur Lampe und den Entwicklungsprozess verrät.

Interview mit Fridolin von Holzgestein

Bei Berglampen denkt man als erstes an klassische Helmlampen oder vielleicht an Grubenlampen. Damit hat eure Berglampe aber wenig zu tun, oder?

Nee, überhaupt nicht. Unsere Lampen haben zwar auch einen praktischen nutzen, sind aber mehr für das Schlafzimmer oder Wohnzimmer gedacht. Ich hab sie zum Beispiel seit Jahren als Nachttischlampe und als Meditationslicht im Einsatz. Torben hat direkt drei Berge bei sich in der Wohnung stehen. Der nutzt sie viel beim Fernsehen, weil man sie dunkel genug dimmen kann, dass sie nicht stören. Wenn unsere Kickstarter-Kampagne richtig gut läuft, werden wir auch eine Akku-Version der Lampe anbieten. Dann ist sie für mich auch ein perfektes Licht für ein abendliches Picknick, das kommt dem Outdoor-Bereich ja schonmal näher.

Das Team hinter Holzgestein - Fridolin ganz rechts
Das Team hinter Holzgestein – Fridolin ganz rechts (Foto: Holzgestein)

Wann und wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Da muss ich ein wenig ausholen. Ich hab mit Torben seit meiner Schulzeit immer wieder verrückte Reisen gemacht. Dabei war einerseits Radfahren ein Ding – wir sind 2012 einmal um Island rumgefahren – und andererseits das Bergsteigen. Unsere ersten Touren haben wir noch in der Schulzeit gemacht und sind danach auf ein paar 4000er rauf. 

2015 kam Torben dann mit einer Idee für eine Fahrrad-Wandhalterung an – das heutige D-Rack. Daraus ist dann die Firma Parax entstanden, mit der wir bis heute Fahrradwandhalterungen verkaufen. 2017 haben wir für Parax eine CNC-Fräse gekauft, um die Holzfronten für das D-Rack zu produzieren, aber auch um nächste Produkte entwickeln zu können. Uns war immer klar, dass Fahrradaufhängungen nur der Anfang sein würden. 

Das Konzept der Berglampe kommt daher aus den Jahren 2017/2018. Torben hatte da die Idee für einem Freund, ein Gebirge in die Stirnseite eines Eichenbalkens reinzufräsen und daraus einen Weinständer zu machen. Für die Umsetzung war natürlich ich zuständig. Dann waren wir also schonmal bei 3D-Bergen. Jetzt war uns aber beiden klar, dass es schwierig wird, davon allzu viel zu verkaufen, da das Gebirge in Holz zu fräsen mehrere Stunden dauert. Außerdem mögen wir es beide nicht, einfach Dekoartikel herzustellen. Wir wollen mit unseren Produkten einen handfesten Nutzen haben – wie bei einer Lampe eben. 

Und wie ging’s weiter?

Von Anfang an war uns klar, dass wir das Relieff nicht einfach nur abschneiden wollen an den Seiten, sondern es flach auslaufen lassen wollen. Damals hab ich schon mehrere Wochen daran gesessen, ein Python Skript zu schreiben, welches die Seiten runterrechnet. Das hat dann auch geklappt und so sind die ersten Prototypen entstanden. Meine Freundin von damals ist immer noch begeistert von der Lampe. Sie hat mich auch immer wieder angeregt, endlich mit der Lampe weiterzumachen. 

Allerdings kam dann erstmal Corona. Und mit Corona sind unsere Umsätze im Wandhalterungsbereich explodiert. Deswegen hatten wir erstmal andere Sorgen. 2022 haben wir dann einen neuen Anlauf gestartet, haben schon Fotoshootings gemacht und eine Verpackung entwickelt etc. Allerdings sind wir dabei auf kleine Probleme bei unserer bisherigen Produktionsmethode gestoßen: zum Beispiel Formen, die sich verziehen und Harz, das die Wände der Formen hochklettert oder Blasen wirft. Es war irgendwie klar: Das macht in der Produktion keinen Spaß. Was ich in solchen Fällen mache, ist: Warten bis eine bessere Idee kommt. Eine Schweizer Freundin erzählt mir immer wieder von Chronos dem Gott der Uhrzeit und Kairos dem Gott der sagt, wann die Dinge ihre Zeit haben. Und damals war noch nicht die Zeit. 

Die Holzgestein Berglampe im Detail erklärt (Quelle: Holzgestein)

Aber jetzt scheint die Zeit gekommen: Was können eure Berglampen und wie entstehen sie?

Das wichtigste: Die Berge machen ein super schönes Licht. Für mich ist das das Wichtigste, denn es sind Lampen. Sie sind super dimmbar und leicht in der Bedienung, kein Schnickschnack oder irgendwas Sinnloses. Über USB-C angeschlossen und fertig. Zweitens, sie sind ein Ort für unsere Erinnerungen, die magischen Stunden auf den Bergen, die Sonnenaufgänge, die wir erlebt haben über Gletscherflächen. 

Bis auf die Elektronik fertigen wir die Lampen zu 100 Prozent in unserer Werkstatt in Bönen. Dabei kommen einerseits CNC-Fräse, 3D-Drucker und Lasercutter zum Einsatz und andererseits viel liebevolle Handarbeit beim Schleifen, Ölen, Zusammenbauen und Verpacken. Wir haben eine kleine Werkstatt mit 240 Quadratmetern, die wir seit 2018 ausgebaut haben. Das war früher eine Schreinerei und liegt ziemlich abgelegen auf den Feldern. Dort produzieren wir unsere Wandhalterungen und in Zukunft auch unsere Berglampen. Wir sind mittlerweile sechs Leute, darunter ein Auszubildender. Bei uns macht aber immer noch jeder alles. 

Ihr wollt ja auch individuelle Berge ermöglichen. Wie ermöglicht ihr das bzw. ist das nicht ein riesiger Aufwand?

Die große Änderung nach 2022 war, dass mir irgendwann aufgefallen ist, dass wir die Lampen auch als 3D Druck herstellen können, wenn wir das Relief von der Seite aus drucken. Darauf haben wir heute ein Patent. Nun muss natürlich immer noch das Gebirge in den Drucker kommen. An dem Code programmiere ich mit zwei meiner Neffen seit anderthalb Jahren. Das trickige ist, die Berge so abflachen zu lassen, dass sie noch druckbar sind, denn FDM-Drucker, also die klassischen 3D Drucker, können nur bis zu einem Winkel von 65 Grad Überhänge drucken. 

Das ist aber mittlerweile gelöst. Woran wir gerade am entwickeln sind, ist die Integration mit dem Frontend, also mit der Website. Technisch gesehen wählt der Besucher der Seite einen Mittelpunkt auf einer Google Maps Karte aus und einen Radius, der bestimmt, wie groß der Ausschnitt werden soll. Wir zeigen ihm dann die gesamte Lampe in 3D an und wenn der Besucher zufrieden ist, kann er sie in den Warenkorb legen und bezahlen. Das Relief wird dann automatisch an unsere 3D-Drucker gesendet. Zusätzlich wird dann eine Datei mit der Gravur erzeugt, die muss dann natürlich auch individuell sein. Diese laden wir dann in den Laser und Gravieren das Holz. Das alles ist gerade in Entwicklung. Je nachdem wie gut unsere Kickstarter-Kampagne läuft, wollen wir diese Option auch unseren Kickstarter-Supportern zur Verfügung stellen. Natürlich ist das mehr Aufwand. Vor allem wenn man über mehrere hundert solcher Bestellungen spricht. Ich bin da trotzdem sehr zuversichtlich.

Was waren eure größten Herausforderungen auf dem Weg bis hierher?

Eigentlich ist jedes einzelne Teil in der Entwicklung drei mal umgedacht worden. Mit dem Relief an sich habe ich ja schon erzählt, welchen Weg es genommen hat. Bis das 3D-Drucken so klappt, dauert es natürlich auch wieder seine Zeit. Das nächste große Problem waren die viel zu hohen Produktionskosten für den Holzsockel der Lampe. Eigentlich war der Plan, die Sockel extern fertigen zu lassen. Aber damit wären wir niemals bei diesem Preis gelandet und ich habe keine Lust, Produkte nur für eine Elite herzustellen. Mein Ideal ist es, von normalen Menschen für normale Menschen zu produzieren, alles andere hat für mich keine Nachhaltigkeit.

Das Problem an der Fertigung ist das Verleimen der Seitenteile, was nunmal manuell gemacht werden muss. Das kostete Zeit und Nerven. Und wenn man das Relief einbringen will, muss man eigentlich erst Verleimen, wenn das Relief integriert ist. Das macht keinen Spaß. Wir haben uns dann einen Kreuzdübel einfallen lassen, der von unten in die Seitenwände eingepresst wird und somit leimfrei eine feste Verbindung herstellt. Das Verfahren haben wir ebenfalls patentiert. 

Produktion „on demand“ ist ja ein sehr sinnvolles Konzept, um ein Produkt ressourcenschonend herstellen zu können. Wie versucht ihr noch, möglichst umweltfreundlich zu produzieren und zu agieren?

Als erstes haben wir schon seit 2015 unseren Fokus auf Produkte aus Holz und Metall. Das ist für mich die Grundlage: nachhaltige und langlebige Materialien verwenden. Zusätzlich legen wir besonders viel Wert darauf, dass unsere Verpackung zu 100 Prozent plastikfrei ist. Mit den Gebirgen ist das schöne, dass wir durch unser patentiertes Verfahren eine sehr dünne Schicht drucken können, und natürlich zusätzlich noch mit PLA drucken, also einem Kunststoff, der aus Stärke produziert wird.

Ich denke, Ressoucenschonen ist sehr wichtig, aber immer auch ein Kompromiss, der zu jedem Zeitpunkt wieder neu erkämpft werden muss. Beispiel: Meine Mitarbeiter haben gesagt, die Lampe sei zu leicht, das wirkt billig und außerdem rutscht die Lampe dann. Für mich kommt es aber auf keinen Fall in Frage, ein Produkt, welches leicht ist, schwerer zu machen, nur weil es dann schwerer wirkt, denn man verbraucht mehr Material also auch mehr Energie. Zudem hat das Auswirkungen auf den Versand und damit wieder auf die Ökologie. Aber das Rutschen, das hat ein wenig gedauert. Wir saßen beim Dreh für das Kickstarter-Video und mussten eine Prototyping-Szene spielen. Ich denke ja immer, es ist am realistischsten, wenn es real ist, also haben wir über das Problem mit den Füßen gesprochen. Da kam mir die Idee, die Füße nach dem Drucken mit Silikon zu Siebdrucken. Ein paar 3D-Drucke und Laserschnitte später können wir 400 Füße auf einmal mit Silikon benutzen, sodass die Lampe ab jetzt sicher steht. Das braucht natürlich Durchhaltevermögen, aber das ist es, was uns ausmacht.

Letzte Frage. Was ist dein persönliches Rezept gegen Bergweh? 

Ich meditiere sehr viel. Das hilft.

ST. BERGWEH MUSIKVIDEO

Das ST. BERGWEH Musikvideo, das traditionell jeden Blogbeitrag abschließt, kommt aus Land, in dem der La Meije steht und wird von Jacques Brel mit dem gleichen Einsatz gesungen, wie es ihn für eine Besteigung des La Meije mindestens bräuchte. Viel Spaß mit „Ces gens-là“.

Jacques Brel – Ces gens-là

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