Die Frage ist nur: Wie? Im französischen Bergdorf und Freeride-Mekka La Grave pfeifen es wahrscheinlich die Spatzen von den Dächern. Hier in Hamburg bin ich hingegen auf’s Internet angewiesen, um mitzubekommen, dass die Gemeindeverwaltung von La Grave heimlich, still und leise eine wegweisende Entscheidung hinsichtlich der Zukunft des 500 Seelendorfes gefällt hat. Gestern verkündete die Initiative Signal de La Grave in Form eines kurzen Beitrags auf ihrer Facebookseite:
„Yesterday night, on Friday the 28th of April, the La Grave village council approved unanimously the contract proposal with the new operator of the ‚téléphérique‘ which will be SATA (Alpe d’Huez).“
Auch andere Medien bestätigen es: La Grave hat – nach einigem Hin und Her und großer Verunsicherung in der Freeride-Welt aufgrund der bis dato ungeklärten Nachfolgeregelung für den im Juni auslaufenden Vertrag mit der aktuellen Liftgesellschaft – einen neuen Betreiber für die historische Gondelanlage „Téléphérique de la Meije“ gefunden. Einem einstimmigen Beschluss der Gemeindeverwaltung folgend soll die Société d’Aménagement Touristique de l’Alpe d’Huez, kurz Sata, für die nächsten 30 Jahre (unter anderem) das Recht erhalten, Freerider aus aller Welt in Richtung La Meije – und damit zu dem wohl wildesten Offpiste-Ressort der Alpen zu befördern.
Wie so oft steckt dabei der Teufel im Detail und in diesem Fall in den zwei Worten „unter anderem“. Fest steht wohl schon, dass die Gondel um ein weiteres Teilstück (von der bisherigen Bergstation auf 3.200 Metern bis auf 3.600 Meter) erweitert und der alte Schlepplift auf dem Gletscher demontiert werden soll. Außerdem sollen die bestehende Anlage inklusive der prägnanten Gondeln sowie die beiden Restaurants (ich kenne nur eins) renoviert bzw. ersetzt werden. Welche weiteren Veränderungen oder Veränderungsmöglichkeiten der Vertrag zwischen der Gemeinde und der SATA enthält ist allerdings bisher noch unklar. Laut einem Beitrag in dem Internetforum Snowheads wird für Mitte Mai, also nach der finalen Unterzeichnung des Vertrags, eine offizielle Erklärung seitens der SATA bzw. der Gemeindeverwaltung erwartet.
Hier liegt auch die große Sorge der vielen begeisterten La Grave Fans, wie man in dem Interview mit Samuel Rieder und damit einem der Initiatoren der Initiative Signal de La Grave nachlesen kann, das ich im Rahmen ihrer „Keep La Grave Wild“-Crowdfunding-Kampagne im vergangenen Jahr geführt hatte (hier geht’s zum Artikel). Auch die vielen persönlichen Gespräche, die ich bei meinem knapp einwöchigen Aufenthalt in der wärmstens zu empfehlenden Skiers Lodge der schwedischen Freeride-Legende Pele Lang im Herzen von La Grave Ende März geführt hatte, gingen in die Richtung. Wird sich eine große Liftbetreibergesellschaft damit arrangieren, keine Pisten bauen zu dürfen? Keine luxuriösen Hotelanlagen in den jahrhundertealten Ort setzen? Keine Lawinensprengungen durchführen oder Bereiche des Bergmassivs sperren? Oder sieht der Vertrag hier möglicherweise Freiräume für den Investor vor? Im Moment können diese Fragen wohl nur von ganz wenigen beantwortet werden, wenn überhaupt. Aktuell steht wohl nur fest, dass der Betrieb der Téléphérique gesichert ist und man auch zukünftig als Offpiste-Skifahrer oder -Snowboarder bequem auf den Berg kommt. Ob auch der Charme und die Einzigartigkeit, die Wildheit und die Seele von La Grave erhalten bleiben wird, ist jedoch definitiv noch ungewiss. St. Bergweh bleibt dran. Bis dahin schon mal ein kleiner Vorgeschmack in Form eines Videos aus einer Webserie der wahrscheinlich talentiertesten – und definitiv auch verrücktesten – Crew aus La Grave, der 05320 COOP rund um den französischen Fotografen Guillaume Le Guillou, den franko-kanadischen Snowboarder Jean-Louis St-Arneault und den us-amerikanischen Skifahrer Joe Vallone.
Das obligatorische St. Bergweh Video zum Abschluss dieses Artikels zu finden, fällt mir leicht. Mit Frankreich verbinde ich nun mal als aller erstes Louise Attaque und die leider nicht mehr vorhandene, herrlich abgefuckte Kaschemme La Lune Dans Le Caniveau in Chambéry, in die der folgende Song in meinem Kopf wunderbar rein passt. Jetzt also für Euch: „Les Soirées Parisiennes“ von Louise Attaque.