120 Bucks for my Soul

Ich versuche ja gerne, Dinge, die in St. Bergweh passieren, mit Gegebenheiten in echten Ortschaften zu vergleichen. Im aktuellen Fall würde das so aussehen: Eine „Mediaagentur“ in UK scheint Monopoly spielen und eine Straße in St. Bergweh kaufen zu wollen. Und in dieser Straße sollen Werbeplakate aufgestellt werden, dezente Werbeplakate. Werbeplakate, die den Eindruck erwecken, als wären sie Empfehlungen des Bürgermeisters der Gemeinde.

Was ist passiert?
Ich habe heute eine Email von Connie Daniels, einem Mitarbeiter von Media Discovery aus England, bekommen. Darin heisst es:

Hi Björn,

I was wondering whether you’d be interested in selling advertising space on St-Bergweh.de? The advertisement would be unobtrusive and we can pay you an annual upfront payment for the advertising space.

We can also provide guest blog posts from industry experts in many cases.

I am from Media Discovery, a new media agency headquartered in the UK. We plan out and acquire advertising space on major websites and portals, as well as smaller niche sites. I personally deal with our smaller publishers, increasing brand awareness and share of voice for the major brands that our group works with.

We’d love to work with your site. If you have any questions or would like further information, please do not hesitate to email me directly.

Kind Regards,
Connie Daniels

Nun konnte ich mir zum einen nicht vorstellen, warum mein Nischen-Blog für eine internationale Mediaagentur interessant sein sollte. Zum anderen betreibe ich meinen Blog aus Spaß an der Freude, bin also nicht auf Werbung angewiesen. Also habe ich mal ein bisschen recherchiert und bin dabei auf den finnischen Blog von Jani Leinonen gestoßen, der wie ich von Media Discovery – dieses Mal allerdings von einem Sam Chavez – mit einem Standard-Email-Text angeschrieben wurde.

Media Discovery Homepage: „Leading the industry in unethical advertisement“ würde wohl besser passen

In seinem Artikel „Buy this Blog“ hat er die gesamte Email-Korrespondenz mit Sam von Media Discovery wiedergegeben. Für 120 US-Dollar im voraus für ein Jahr möchte Media Discovery einen Beitrag eines seiner Kunden im Blog von Jani platzieren. Der Text wird von Media Discovery vorgeschrieben und direkt mitgeliefert. In diesem Fall soll der Werbekunde die Internetplattform www.partycasino.com sein. Dumm nur, dass sich scheinbar niemand bei Media Discovery Janis Blog genauer angeschaut hat, denn Jani hat weder für Werbung noch für Glücksspiel viel übrig:

It seems like you have not read my site at all before contacting me. I am an anti-capitalist artist fighting against the market economy and global inequality. I am very critical towards consumption, and have very high ethical standards, particularly for companies and advertising. I think gambling companies are one of the most disgusting phenomenon in the markets, endorsing greed and class differences. In addition, your text is very bad.

Natürlich werde ich auf das „Angebot“ von Media Discovery nicht eingehen. Ich arbeite – wie so viele Blogger – durchaus gerne mit Unternehmen oder anderen Organisationen zusammen, wenn es zu meinem persönlichen Vorstellungen passt. Zum Beispiel sehe ich kein Problem darin, dass ich Outdoor-Equipment von bergfreunde.de zum Testen zur Verfügung gestellt bekomme. Da ich in der glücklichen Lage bin, nicht auf Geschenke angewiesen zu sein, werden meine Produktrezensionen sich nicht von denen unterscheiden, bei denen ich mir die Produkte selbst gekauft habe. Und wenn den Bergfreunden meine Rezensionen nicht mehr gefallen sollten, dann teste ich eben ein Produkt weniger – who cares? Ich sehe auch kein Problem darin, dass ich hin und wieder Produkte beispielsweise von Panasonic vorstelle, auf die ich durch meine engen Beziehungen zur Pressestelle bevorzugt Zugriff habe. Das steht dann aber immer mit im Artikel, wie zum Beispiel hier, und auch in meiner „Über mich“-Selbstvorstellung. In jedem Fall werde ich nicht für 120 Dollar meine Seele verkaufen. Oder wie seht Ihr das?

Schlechtes Vorbild, trotzdem sympathisch: Bart Simpson verkauft seine Seele