Ich weiß nicht, ob es jemand von Euch am vergangenen Wochenende zur Ausstellung des Fotomarathon Hamburg 2013 in die Fabrik der Künste geschafft hat. Das Interesse an den hier auf St. Bergweh verlosten Tickets war ja übersichtlich. Aber ich bin ja nicht nachtragend und nehme das Euch Kulturbanausen nicht übel. Im Gegenteil, als „Belohnung“ bekommt Ihr in Form eines Gastbeitrags einen Erfahrungsbericht von André Groth (und seiner Freundin Nadine) aus Berlin, der das Teilnehmer-Ticket hier auf St. Bergweh gewonnen hatte. Vielleicht animiert es den einen oder anderen von Euch, auch einmal an so einem Fotomarathon teilzunehmen, den es ja u.a. auch in Berlin, München etc. gibt.
Aktualisierung am 17.9.2013: Rein zufällig veröffentlicht SPIEGEL ONLINE heute einen Erfahrungsbericht über den Fotomarathon Leipzig. Ebenfalls lesenswert!
Gastbeitrag von André Groth, Teilnehmer Fotomarathon Hamburg 2013
Am 3. August 2013 nahmen wir (das sind meine Freundin Nadine und ich) am Hamburger Fotomarathon teil, nachdem wir auf dem Blog St. Bergweh im Zuge einer Verlosung das Ticket für die Veranstaltung gewonnen hatten. Wir kommen beide aus Berlin und hatten ein paar Monate davor mit sehr viel Begeisterung an unserem ersten Berliner Fotomarathon teilgenommen. In Hamburg wollten wir uns einer neuen Herausforderung in einer uns recht unbekannten Stadt stellen und für die Bilderserie ganz neue Wege gehen. Schon im Vorlauf hatten wir die Idee, das Flair einer Hafenstadt mit einem durchgehenden Sepia Ton einzufangen. Später kamen noch eine improvisierte „Vignetten“ dazu und eine extrem hohe Empfindlichkeitseinstellung in der Kamera, welche den Bildern zusätzlich noch einen Alterungseffekt spendieren sollte. Mit diesen Ideen gerüstet und nach einer aufreibenden Suche nach einer Mitfahrgelegenheit und einer Bleibe, machten wir uns auf den Weg nach Hamburg.
Am Startpunkt erlebten wir die erste positive Überraschung des Tages. Die Organisatoren hatten sich „Im Wandel der Zeit“ als Oberthema für den Marathon ausgesucht und alle Einzelthemen darauf ausgerichtet. Das passte wie angegossen auf unsere Bildidee. Das ganze Potential dieses Themenrahmens wurde uns aber erst etwas später bewusst. Bevor es mit dem eigentlichen Fotografieren losging, mussten wir uns erst noch um unsere improvisierte Vignette kümmern. Während uns schmunzelnd-fragende Blicke des Fotomarathon Teams verfolgten, schnitten wir aus einer Corny-Packung eine rechteckige Umrandung raus, die nach etwas Trimmen zu unserem ständigen Begleiter während des Marathons wurde.
Das Thema des ersten Fotos war „Alles wird gut“. Außerdem sollte es unsere Startnummer 5 enthalten. Nach längerem Grübeln und ersten Anflügen von Verzweiflung, entschieden wir uns dafür aus einigen zerbrochenen Bierflaschen unsere Startzahl zu basteln. Auf diese Idee würden wir ganz am Ende noch mal zurückkommen. Kurz nach der Fertigstellung unseres ersten Bildes, wurden wir von einem erregten Hamburger aufgehalten, der von der Veranstaltung gehört hatte. In der Hand hielt er ein frisch erstelltes Ultraschallbild seines Kindes, das er unbedingt für den Marathon abgelichtet haben wollte. Die Versuchung war da, aber leider war es dafür nicht der richtige Zeitpunkt.
Es folgten die nächsten zwei Bilder, für die wir in Ufernähe passende Motive fanden. „Es war einmal“ eine alte Holzvorrichtung datiert auf 1889, die wahrscheinlich zur Weinherstellung genutzt worden war und ein verrosteter Kran, den man getrost zum „Alten Eisen“ zählen konnte.
Nach den anfänglichen Schwierigkeiten lagen wir jetzt wieder gut in der Zeit und leisteten uns angesichts beginnenden Regens eine kleine Pause in einem Kaffee. Zwischen Cappuccino und belegten Brötchen kamen wir wieder auf das Motto des Marathons zu sprechen und hatten einen Geistesblitz. Wir entschlossen uns mit unserer Serie das Medium der Fotografie „im Wandel der Zeit“ zu thematisieren. Nach dem Anfang in Sepia würden Schwarz-Weiß Bilder und zum Ende Farbbilder folgen. Innerhalb dieser „Stilepochen“ würden wir durch eine kontinuierlichen Verringerung der Empfindlichkeit die fotografische Entwicklung weiter unterstreichen.
Aus den nächsten drei Themen „Aufbruch“, „Fortschritt“ und „Dèjá-vu“ entstand eine kleine Geschichte, in der Nadine den Mittelpunkt bildete. Das erste Bild entstand spontan noch im Kaffee, als wir beide über Nadines „aufbruchbereite“ Sitzposition lachen mussten. Ein kurzer „Fortschritt“ wurde dann schnell vom Winde verweht und führte uns wieder zurück zum Anfang. Was für ein „Dèjá-vu“!
Nahe der Landungsbrücken konnten wir nicht anders, die regnerische „Momentaufnahme“ einzufangen, bevor uns Petrus vom schlechten Wetter erlöste und Nadine bei strahlender Sonne und ein letztes Mal in Sepia die Beine über der Elbe baumeln ließ.
Nach der ersten Zwischenstation und einer kleinen Mittagspause, begann unsere Schwarz-Weiß Epoche mit einem „Neuanfang“ den Nadine durch eine Reihe Steinsäulen vorbei tanzend einläutete. Auch ihr Outfit änderte sich und sollte den neuen Stil unterstreichen.
Die „Evolution“ fanden wir am Hamburger Hauptbahnhof in Form einer Rolltreppe, auf der Nadine langsam emporstieg. Der „Generationenwechsel“ hat uns sehr viele Nerven und Zeit gekostet. Schlussendlich improvisierten wir mit einer bissig-ahnungslosen Nadine und meinem Smartphone, das von dieser Aktion glücklicherweise keinen Schaden davon trug.
Dem überquellenden Mülleimer, der zunehmend weiterer Müllzufuhr „Widerstand“, folgte der heutige „Zeitgeist“ in einem Nachbau einer britischen Telefonzelle. Angesichts der Spähaffäre der Geheimdienste, kann man sich an solchen Orten nicht mehr wirklich sicher fühlen und bleibt lieber stumm.
Dem „Trend“ in anderen deutschen Städten folgend, scheint es auch in Hamburg schwer zu sein, eine Wohngemeinschaft zu finden. Aber einen solchen Aushang haben selbst wir Studenten zum ersten mal gesehen.
Man mag bei SEX nicht unbedingt gleich an „Tradition“ denken, aber nicht umsonst ist das Geschäft damit das älteste Gewerbe der Welt. Und gepaart mit einem flippigen Buggy ergab sich daraus gegen Ende unserer Schwarz-Weiß-Serie ein interessantes Gespann.
Der dargestellte „Stillstand“ an einer Baustelle symbolisierte auch unsere ersten richtigen Ermüdungserscheinungen des Marathons. Sicherlich unser schwächstes Bild. Zum Glück kam nach der letzten Zwischenstation mehr Farbe in unser Leben. Doch es war schon „5 vor 12″ und wir hatten es eilig. Da kam uns die Uhr an einem Kirchenturm und eine erschrockene Nadine gerade recht.
Jetzt war die Zeit für eine „Revolution“ gekommen. Lasst uns Mauern aus Stein und Stahl überwinden und eine bessere Welt schaffen, sagten wir uns und fingen diese Gedanken fotografisch ein.
Es folgte die Schlussphase an den Landungsbrücken, in dem wir typische Hamburger Eindrücke in zunehmender Farbenpracht und Qualität einfingen. Dem „Rauf & Runter“ des Wassers an einem Wasserstandmesser folgte ein Blick auf die interessanten Größen-„Perspektiven“ am Hafen.
Mit den letzten vier Bildern waren wir schließlich am heutigen Stand der Fototechnik angekommen und entschieden und für einen verträumten Blick auf diese schöne Stadt. Einem „zeitlosen“ Sonnenuntergang, folgte ein Moment der „Entschleunigung“, in dem wir Hamburg auf unsere Sinne wirken lassen und „Für die Ewigkeit“ (jetzt wird es kitschig) einfangen konnten.
Wir feierten das Ende unserer Serie auf dem letzten Bild mit einer eiskalten Jubiläumsausgabe (auch hier spielte Zeit eine Rolle) Becks. „Alles wird gut“, hatte uns der Beginn der Serie versprochen und tatsächlich: „Zeit heilt alle Wunden“. Sei es eine zerbrochene Flasche oder unsere Frustration und Müdigkeit, die nach getaner Arbeit wie weggewischt waren.
Die letzte halbe Stunde verbrachten wir noch damit 24 Bilder aus über 750 Aufnahmen auszuwählen. Spannung bescherte uns noch der Kamera Akku, der sich zunehmend dem Ende zuneigte und am Schluss nur noch 1% Ladung anzeigte. Wir waren fertig mit dem Marathon und auch körperlich und geistig am Ende. Die Müdigkeit holte uns schließlich doch noch ein.
Es war ein toller Marathon in einer tollen Stadt!
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