15 Shades of Winter in Hamburg

Als aller erstes muss ich mich für das flache Clickbaiting-Deluxe entschuldigen und potentiellen Missverständnissen vorbeugen: Shades of Winter steht für Action- und Outdoorsport und die unterschiedlichen Nuancen, wie Frauen ihn erleben beziehungsweise filmisch darstellen. Und die Ziffer „15“ steht für die Anzahl der Kurzfilme aus dem Programm der zweiten Ausgabe des „Shades of Winter FilmFests“ – eines Filmfestivals von Frauen, mit Frauen, aber explizit nicht nur für Frauen. Damit ist das Shades of Winter FilmFest eine Art Gegenpol zu klassischen Filmfestivals wie der European Outdoor Film Tour EOFT, die ja in der Vergangenheit sehr stark von männlichen Protagonisten dominiert wurde (einige von euch erinnern sich vielleicht noch an meine Artikel „EOFT 14/15: (Still) a mans world“ aus 2014 und „Nothing without a woman or a girl“ aus 2018).
Deshalb mein Appell: Kommt am nächsten Montag, 25.11.2019, ab 17.30 Uhr (Filmbeginn 19.00 Uhr) ins Goldbekhaus nach Hamburg-Winterhude und zeigt damit, dass auch Frauen Bock auf Abenteuer, Spaß und Action haben (dürfen). Und an alle Eltern: Bringt eure Mädchen und Jungen mit (ja, auch für die Jungs ist es gut, früh zu sehen, dass Mädchen den gleichen geilen Scheiß machen dürfen und können, wie sie, wenn sie wollen). Auf die Sozialisierung der Kids kann man noch Einfluss nehmen und so Gleichberechtigung irgendwann Selbstverständlichkeit werden lassen.

Filmfest-Organisatorin Sandra Lahnsteiner in ihrem Element (Foto: Shades of Winter)

Das Shades of Winter FilmFest

Das Shades of Winter FilmFest ist ein klassisches Filmfestival, das in diesem Jahr in neun Städten und fünf verschiedenen europäischen Ländern Actionsport- und Outdoorfilme präsentiert – mit der Besonderheit, dass die Protagonistinnen vor oder hinter der Kamera eben Frauen sind. Ein Satz in der zweiseitigen Pressemitteilung beschreibt das Filmfestival wohl am besten:

Berge mit und ohne Schnee, Luft, Wasser und Dreck, Angst, Schweiß und Glückseligkeit treffen […] auf Frauen mit Power und ein Publikum, das am liebsten selbst Abenteuerluft atmet.

„Die Sportlerinnen mit ihren Filmprojekten sind authentische, starke Vorbilder, die mit ihren Abenteuern auf der ganzen Welt das Publikum –Männer wie Frauen – zu einem aktiven Lebenstil motivieren. Und das ist die Mission von Shades of Winter“, erklärt Festivalorganisatorin und Profiskifahrerin Sandra Lahnsteiner und ergänzt, dass der Fokus auf Athletinnen liegt, deren Darstellung und Wahrnehmung zwar die DNA von Shades of Winter sei, sie aber kein Filmfestival nur für Frauen machen wollen würde. Im Gegenteil: Sie zähle darauf, dass auch weiterhin viele Männer im Publikum sein werden – mit ihren Töchtern, Freundinnen, Frauen und Skibuddies.

Girls just want to have fun – also nicht anders als Männer auch (Foto: Shades of Winter)

Beim Shades of Winter FilmFest werden innerhalb des Gesamtprogramms von zweieinhalb bis drei Stunden pro Abend jeweils acht bis zehn Filme zwischen fünf und 25 Minuten Länge gezeigt. Zusätzlich zu den grandiosen Bildern auf der Leinwand werden einige der Protagonistinnen live vor Ort sein und Fragen beantworten – in Hamburg voraussichtlich Olympiateilnehmerin Hedvig Wessel (NOR), Colleen Gentemann und Katie Burell (beide Canada), Janina Kuzma (NZL), Ayako Kuroda (JP), Nadine Wallner, Lorraine Huber und Sandra Lahnsteiner (alle AUT). Offen ist noch die Teilnahme von der deutschen Athletin Caja Schöpf und Evelina Nilsson (SWE).

Shades of Winter FilmFest Official Teaser

Hier klicken für weitere Infos über Shades of Winter und hier für Shades of Winter FilmFest Hamburg Tickets.

Noch was: „Hasst ihr Männer?“

Vor einigen Jahren habe ich an einem Lawinen-Camp des SAAC im österreichischen Warth-Schröcken teilgenommen, um meine Sicherheits-Skills am Berg aufzufrischen. Teilnehmer: zwei Bergführer, elf Typen einschließlich mir und Kaddi aka Katharina Kestler. Die Einzige unter Männern zu sein – das war oftmals ein typisches Szenario für actionsportorientierte Frauen wie Katharina. Ein Szenario, das verständlicherweise immer mit etwas Unbehagen einhergegangen sein dürfte. Zwischenzeitlich hat sich jedoch einiges getan. Katharina hat zum Beispiel unter anderem die erfolgreiche Frauen-Bergsport-Community Munich Mountain Girls mit aufgebaut und kämpft auch darüber hinaus immer wieder unermüdlich für mehr Gleichberechtigung. Beim Shades of Winter FilmFest Tourstopp in München zeigte sie als sogenannter „Local Hero“ einen Ausschnitt aus ihrer TV-Doku „Die Berge und ich“. Ein guter Grund, sie mal nach ihren Eindrücken und ihrer Meinung zu fragen.

Munich Mountain Girl Katharina Kestler (Foto: Daniel Hug)

ST. BERGWEH: Die diesjährige Premiere der Shades of Winter FilmFest Tour in München schien ziemlich erfolgreich gewesen zu sein. Eine Überraschung für dich? Und hast du einen Unterschied festgestellt zu den klassischen männerdominierten Outdoor-/Adventure-Sport-Filmtouren?

Katharina Kestler: Nein, keine Überraschung. Sandra Lahnsteiner macht mit dem Filmfest und auch sonst einfach einen richtig guten Job, sie ist eine sehr gute Networkerin und ihr gelingt es, internationale Stars und die lokale Szene zusammen zu bringen. Auch das erste Filmfest im vergangenen Jahr im Kino am Sendlinger Tor war gut besucht, obwohl es eher kurzfristig angesetzt war. 
Ob es Unterschiede zu männerdominierten Outdoor-Film-Touren gibt? Nun ja, die Welt ist ja Gott sei Dank nicht stehen geblieben und gerade in den letzten Jahren hat sich bei den klassischen Filmtouren viel getan. Dennoch ist es zu einer echten Gleichberechtigung noch a long way to go. Es geht ja schon weit vor den Filmtouren los: bei Filmförderungen, Sponsoring und so weiter. Da gibt es eben noch große Unterschiede. Und klar ist der – nennen wir es mal – Unterton bei klassischen Events auch ein anderer. Aber ich mag nicht immer ins selbe Klischee-Horn blasen und ich glaube auch, dass das eigentliche Problem rund um Gleichberechtigung im Actionsport nicht ist, wie oft sich irgendwelche Bad Ass Dudes auf die Schulter klopfen und „so sick“ schwafeln.

Zwei Munich Mountain Girls in ihrem natürlichen Habitat (Foto: Claudia Ziegler)

In München wurde auch ein Film von und mit dir gezeigt. Worum geht es darin und wie kam es dazu, dass er auf dem Shades of Winter FilmFest lief?

Es wurde ein Teil aus meiner 45-minütigen Doku „Die Berge und ich“ gezeigt. Den Film habe ich fürs Bayerische Fernsehen gemacht und er ist im weitesten Sinne eine Suche nach den Gründen für Bergliebe – meine eigene Bergliebe und die Bergliebe vieler anderer. In sechs unterschiedlichen Episoden habe ich also versucht, meine eigene Bergliebe zu ergründen – beim Trailrunning, auf der Alm, mit meinen Eltern und so weiter. In einer Episode bin ich mit meinen Freundinnen von den Munich Mountain Girls beim Mountainbiken und wir diskutieren über das Thema Frauen am Berg.

Leider wird dein Film nicht auf dem Tourstopp in Hamburg laufen. Verrätst du uns trotzdem das Ergebnis eurer Diskussion, wie sich die Bergliebe (oder das Bergweh) von Frauen von der/dem der Männer unterscheidet?

Was meinst du damit? Unser Gespräch auf der Hütte beim Mountainbiken? Ich kann dir das ja nur für mich beantworten – und das tue ich auch in meinem Film. Ich glaube, es ist Typsache und das Geschlecht spielt nur eine untergeordnete Rolle. Es gibt Leute, die sind am Berg zum Beispiel eher leistungsorientiert unterwegs und andere, denen ist das nicht so wichtig. Im Moment sind unter den Leistungsorientierten eben deutlich mehr Männer – aber daraus würde ich kein pauschales Urteil ziehen. Denn auch das hat meiner Meinung nach wenig mit dem biologischen Geschlecht zu tun und viel mehr mit Sozialisierung und Erziehung.

Mountainbiken im Süden von Hamburg – denkt euch hier ein Smiley (Foto: Claudia Ziegler)

Wir haben schon häufiger über die Präsenz von Frauen bei Outdoor-/Adventure-Sport-Events und deren Gleichbehandlung diskutiert und du hast dich auch schon häufiger öffentlich dazu geäußert. Sind reine Frauen Bike-/Ski-Camps, Filmfestivals oder aber auch Communities wie die Munich Mountaingirls die langfristige Lösung oder eher eine „Trotzreaktion“?

Uff. Hast du da wirklich „Trotzreaktion“ gesagt?!? Ich würde gerne etwas differenzieren und zwar zwischen reinen Frauencamps und Communities auf der einen und Events, Filmfestivals, Medienberichterstattung auf der anderen Seite.
Zuerst zu den Camps / Communities. Ändern wir doch mal die Perspektive: Für die meisten Männer ist es völlig normal, dass sie schon immer mit Jungs draußen und am Berg unterwegs waren. Dass sie einen guten Snowboard-, Ski- oder Mountainbike-Buddy haben. Dass sie eine fixe Clique haben, mit der sie Outdoorabenteuer starten, mit der sie in den Urlaub fahren. In sehr vielen Fällen ist diese Clique mindestens zum großen Teil männlich besetzt. Niemand hinterfragt das. Niemand würde das thematisieren. Niemand sagt: Aber warum bist du denn nur mit Männern unterwegs? Hasst du Frauen? Niemand würde das jemals sagen. In Bezug auf die Munich Mountain Girls habe ich die Frage: „Hasst ihr Männer“ schon sehr (!) häufig gehört. Nein. Ich hasse keine Männer. Im Gegenteil. Aber: Ich hatte originär keine (!) einzige Freundin, die meine sportlichen Leidenschaften in den Bergen auf meinem Level teilt und auf meinem Niveau diesen Sport betreibt. Ich bin nicht in den Bergen aufgewachsen, sondern komme aus Bamberg. Camps und die Munich Mountain Girls Community waren für mich eine tolle Möglichkeit, Bergfreundinnen zu finden. Es ist einfach schön, mit Frauen am Berg. Eben mal mit Kumpelinnen und nicht nur immer mit dem Partner. Gern aber auch mit ihnen und (!) mit meinem Partner, der großer Fan solcher Frauen ist – überraschenderweise [lacht]. 
Dann zum Thema Filmfestivals und medialer Aufmerksamkeit. Bei dem Thema geht es um die Darstellung verschiedener Frauenbilder in der Öffentlichkeit. Um das Schaffen von Vorbildern. Um Inspiration. If she can’t see it she can’t be it. Ende aus Nikolaus. Ich wünsche mir von Herzen, dass kleine Mädchen sich die selben Dinge zutrauen wie kleine Jungs. Sich trauen rauszugehen, ihre Leidenschaften zu verfolgen. Frauen in meinem Alter haben da häufig ein großes Defizit. Auch das haben mir die Munich Mountain Girls gezeigt. Sie sind unsicher, trauen sich nicht, hinterfragen zu viel, lassen sich schnell einschüchtern. Wir brauchen mehr starke Frauen in der Öffentlichkeit, die zeigen: Du kannst es. Egal ob Astrophysikerin oder Snowboarderin. 

Wann glaubst du, werden wir Diskussionen wie diese nicht mehr führen (müssen) und was wird maßgeblich dazu geführt haben?

Das dauert noch lange. Ich glaube, dass Quoten zumindest den Prozess beschleunigen können. Und ich glaube, dass Frauen lernen müssen, dass sie nicht in Konkurrenz stehen – nicht die Einzige sein müssen, in einem Männerzirkel. Wir müssen lernen, unsichtbare Girls Clubs zu gründen und uns so gegenseitig nach vorne bringen.

Wild at Heart (Foto: Shades of Winter)

ST. BERGWEH Musikvideo

Das obligatorische ST. BERGWEH Musikvideo, das traditionell jeden Blogbeitrag abschließt, hat dieses Mal natürlich was mit Frauen zu tun und schon fast historischen Wert. Danke Youtube und schön, dass sich außer der Auflösung von Videos nur wenig geändert zu haben scheint.

Es würde mich nicht wundern, wenn dieser kurze Videopart ein paar Snowboarderinnen von heute inspiriert und ihnen Mut gemacht hätte, ihr Ding durch zu ziehen.