The Fourth Phase geteilt durch 5

So. Das war er also. Der langerwartete Nachfolger von The Art of Flight, der monumentalen Snowboard-Doku aus dem Haus mit den zwei verärgerten roten Bullen, die in puncto Landschaftsaufnahmen, Freeride-Skills und Budget alles bis dato dagewesene in den Schatten gestellt hatte. Vier Jahre hat es gedauert. Heute Nacht kam der Film deutschlandweit in die Kinos und nach dem ganzen Brimborium vorab, fühle ich mich genötigt, mich hier um Mitternacht noch hinzusetzen, um Euch fünf Erkenntnisse aus dem neuen Travis Rice Streifen The Fourth Phase mitzugeben inkl. einer ganz persönlichen Meinung und einem kosten-, aber vielleicht nicht ganz wertlosen Tipp.

Travis Rice ist für The Fourth Phase gefühlt mehr in der Luft als im Schnee (Foto: Scott Serfas / Red Bull Content Pool)
Travis Rice ist für The Fourth Phase gefühlt mehr in der Luft als im Schnee (Foto: Scott Serfas / Red Bull Content Pool)

Top 5 Erkenntnisse aus The Fourth Phase
1. Travis Rice hat die Balls&Skills-Latte im Extrem-Freeriden mal wieder ein ganzes Stück nach oben gesetzt. Die Tricks, die er vor allem in Japan und in den steilen Wänden Alaskas in den Schnee stellt, schafft weniger als ein Prozent aller Snowboarder in einem perfekt präparierten Funpark. Selbst Mark Landvik aka Lando muss da in Hollywood-tauglicher Manier passen.

2. Travis Rice ist mit Anfang 30 ähnlich fasziniert vom Wasserkreislauf (Wasser verdampft über dem Meer – es bilden sich Wolken – die Wolken führen spätestens über dem Land zu Regen/Schnee – Bäche und Flüsse bringen das Wasser wieder zurück zum Meer – und wieder von vorn), wie ich damals in der Grundschule. Er widmet diesem „Phänomen“ sogar eine millionenschwere Snowboardfilm-Dokumentation.

3. Wenn Du wissen willst, was The Fourth Phase nun wirklich ist, lies lieber das zugehörige Buch „Wasser – viel mehr als H2O“ von Dr. Gerald Pollack oder surf durchs Netz. Hier – oder eigentlich überall – erfährst du mehr über die übrigens sehr streitbare Theorie eines möglichen vierten Aggregatzustands von Wasser, als in diesem Snowboardfilm – das hätte man sich allerdings auch vorher denken können.

4. Wenn Du mal mit deiner Crew in Kamtschatka snowboarden gehen willst, besorge Dir nicht nur alle nötigen Papiere und die Genehmigung von dem einen Militär, sondern auch von dem anderen.

5. Wer es im Snowboarden unbeschadet weit bringen oder zumindest die Wahrscheinlichkeit dafür etwas erhöhen will, sollte jetzt (!) anfangen, seine Rumpfmuskulatur zu trainieren.

Eine ganz persönliche Meinung
Aber jetzt mal im Ernst: Der Soundtrack ist cool. Die Runs der Hammer. Und die Aufnahmen ästhetisch. Dem Anspruch, mit dem neuen Film „The Art of Flight“ zu toppen, sind die Red Bull Media House Kollegen jedoch eher nicht gerecht geworden. Zu sehr wirkt es wie ein Kopie des Vorgängers – keine neuen Ideen, wenig Überraschungen. Und noch weniger wird der Film dem Anspruch gerecht, über die Auswirkungen der Klimaveränderungen aufzuklären und auf die Dringlichkeit, spätestens jetzt etwas dagegen zu unternehmen, hinzuweisen. Zurecht und viel zu selten wird das Missverhältnis zwischen dieser wichtigen Botschaft und dem aufgewendeten Einsatz an Flügen und Helikopter- oder Snowmobil-Einsätzen kritisiert – meines Wissens aktuell öffentlich nur von Team Playground und Airfreshing. Die Story, dem Strömungskreislauf im Pazifischen Ozean von den USA (Wyoming) über Japan und Kamtschatka bis nach Alaska und wieder zurück in die Vereinigten Staaten zu folgen, wirkt zudem konstruiert. Ebenso wie die zahlreichen Off-Texte, die meistens ohne wirklichen Inhalt und eher pseudophilosophisch sind. Am ehesten nehme ich Travis tatsächlich nur die Erkenntnis ab, die er kurz vor Schluss äußert und von der ich auch persönlich überzeugt bin: Ein bisschen mehr Demut täte uns allen gut.

Meine zwei Cents
Ich will ja nicht nur meckern. Deshalb hier mein kostenloser Tipp an das Red Bull Media House Team: Versucht es mal mit echter (!) Authentizität. Steckt eine Filmcrew mit Travis und ein zwei anderen naturnahen Snowboard-Pros wie zum Beispiel Jeremy Jones und Marie-France Roy auf ein Segelboot. Damit sollen sie von der Kraft des Windes angetrieben ein Jahr lang den Pazifischen Ozean umrunden (also wirklich – nicht nur auf dem Papier). Dann können sie mit eigener Muskelkraft und Ausdauer die küstennahen Berge von Canada, Alaska, Russland und Japan (Winter) bzw. von Neuseeland und Chile (Sommer) besteigen und nach dem Abfahren mit den Locals über die klimatischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte diskutieren. Heraus käme wahrscheinlich eine Doku, die sicher weniger spektakuläre Super-Slowmotion-Aufnahmen und weniger krasse Tricks und Lines zu bieten hätte, dafür aber eine Story mit Spannungskurve und glaubhafter Botschaft. Was Ihr dann jedoch mit euren ganzen Helikoptern macht, dafür habe ich leider keine Lösung. Die ließe sich aber sicher finden.

Aber wie gesagt, ist ja nicht alles schlecht. Deshalb statt eines St. Bergweh typischen Abschluss-Musikvideos hier der offizielle Teaser zum Film: