BergNerdsHH #2: Nicolas Metz

Nachdem meine neue Artikelserie #BergNerdsHH mit der Vorstellung des Wahlhamburgers Stefan Clauss von Heimplanet begonnen hat, soll es heute mit einem Hamburger weitergehen, der die schönste Stadt der Welt für seine Liebe zu den Bergen aufgegeben hat: Er heisst Nicolas Metz, ist Delayon-Markenbotschafter und wohnt heute in der selbsternannten Freeride-City Innsbruck. Wir haben uns über die Hamburger Facebook-Community Fischkoppriding kennengelernt, die deren Gründer William Albright hier auf St. Bergweh auch schon mal vorgestellt hat (zum Artikel). Nicolas und ich haben uns noch nie persönlich getroffen, umso mehr habe ich mich über seine Bereitschaft zum Interview gefreut und umso gespannter war ich auf seine Antworten. Und bevor wir zu denen kommen, hier nur noch einmal kurz zur Erklärung: In regelmäßigen Abständen möchte ich interessante Personen interviewen, die entweder in Hamburg aufgewachsen sind oder hier leben und die wie alle Bewohner von St. Bergweh eine große gemeinsame Leidenschaft haben – Berge und The Great Outdoors.

BergNerds Hamburg #2: Nicolas Metz, gebürtiger Niendorfer mit neuer Heimat in Innsbruck (Foto: Delayon/Ania Wyzykowska)
BergNerds Hamburg #2: Nicolas Metz, gebürtiger Niendorfer mit neuer Heimat in Innsbruck (Foto: Delayon/Ania Wyzykowska)
Nicolas, wie würdest du dich deiner Schwiegermutter beim ersten Treffen vorstellen?
Ich würde mich als seriösen Wintersportler mit einem starken Business-Drang vorstellen, der verantwortungsbewusst und ruhig im Skigebiet unterwegs ist, für die Pinkel-Pausen stets die Toiletten aufsucht (und keinen Yellow Snow hinterlässt), nichts von so extremen Abfahrten und Tempo 100+ hält. Und natürlich habe ich auch nichts mit diesem Felsengespringe am Hut…
Ich glaub‘ tatsächlich vorgestellt habe ich mich dann doch etwas anders. Ich meine, im digitalen Zeitalter sind die Schwiegereltern ja auch nicht mehr von gestern. Die kennen Youtube, Instagram, Facebook und den ganzen Kram. Und wenn dann die Freundin von rasanten Abfahrten im steilen, engen, felsdurchsetzten Gelände erzählt (und das ist ja nur das, was sie sieht), dann ist mein Plan von vorher schonmal dahin. Wobei: Den Drang zum Business hab ich schon.

Und wer bzw. wie bist du wirklich?
Puhh… Ich würd mich als seriösen Snowboarder bezeichnen, der den Sport auf seine Weise lebt und versucht, ihn auch stets in seine Arbeit einfließen zu lassen. Ich liebe die Berge, das Snowboarden und die Arbeit im Schnee. Am Berg schwankt meine Persönlichkeit je nach Lage zwischen ruhig, eingekehrt und gelassen und euphorisch, rasant und angetrieben. Ich versuche stets einen professionellen Zugang zum Berg zu haben und hab‘ Respekt vor Mutter Natur. Ich bin zum Leidwesen meiner Freundin und Begleiter in den Bergen leider nur sehr selten wirklich zufrieden mit mir selbst. Ich könnte die gleiche Line fünf Mal hintereinander fahren und könnte immer etwas verbessern. Besonders wenn was schief geht, bin ich immer sehr schnell wütend auf mich selbst. Also: Seriös, leidenschaftlich, selbstkritisch, hab‘ ein Auge für eine gewisse Ästhetik in der Natur… und ja, ich mag Kuscheln gern.

Kuscheln mit dem Heli: Nicolas in Zermatt (Foto: Nicolas Metz)
Kuscheln mit dem Heli: Nicolas in Zermatt (Foto: Nicolas Metz)
Du bist gebürtiger Hamburger, hast der Stadt aber den Rücken gekehrt.
Ja, ich bin geboren und aufgewachsen in Niendorf. Nach dem Abitur bin ich dann für eine Zeit in die USA und hab etwas im Marketingbereich gearbeitet. Dann ging’s noch einmal für ein paar Monate nach Hamburg, bevor ich dann nach Innsbruck gezogen bin. Die Stadt im Inntal in Tirol ist jetzt seit fünf Wintern mein Zuhause.

Was macht dich zu einem Hamburger Berg-Nerd?
Nun, ich würd‘ mich selbst eigentlich nicht mehr als wahrer Hamburger bezeichnen wollen. Aber es gibt, glaube ich, ein paar Dinge, die bleiben einfach für immer. Tüddelkram ist immer Tüddelkram, der Wind kommt immer von vorn und von nix kommt nix.

Ok, Hamburg bedeutet dir also nicht mehr so viel, aber wie sieht es mit Bergen aus?
Berge, besonders das Karwendel, sind meine Heimat. Es ist der Ort, wo ich mich nicht erklären muss, wo ich mich wohl fühle und wo ich meine Zeit verbringe. So schön Hamburg auch ist, aber da hat keiner Lust, morgens bei Schietwetter mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Hier wache ich morgens auf, schau aus dem Fenster und seh‘ die Berge. Ich starte den Tag und bin happy, nur weil ich die Berge sehe – verrückt, oder? Was Geileres gibt´s für mich nicht!

Eine von Nicolas' Lines in Alaska... ähm... nein, natürlich im Karwendelgebirge 1/3 (Foto: Delayon/Ania Wyzykowska)
Eine von Nicolas‘ Lines in Alaska… ähm… nein, natürlich im Karwendelgebirge 1/3 (Foto: Delayon/Ania Wyzykowska)
Dann bist du wahrscheinlich auch viel in den Bergen unterwegs – was war deine intensivste Bergerfahrung?
Rein rational sind die intensivsten Momente immer Unfälle. Stürze und auch Knochenbrüche gehören in einem gewissen Maß dazu. Als ich mir vor zwei Jahren das linke Sprunggelenk gebrochen hab‘, war’s eigentlich mental ein recht entspannter Tag – man weiß: „Ok, Ende – du wirst erstmal nicht mehr fahren“. Viel intensiver sind Erfahrungen, wo der Ausgang noch vollkommen offen ist. Wir haben letzte Saison eine knapp 1,1 Kilometer lange Lawine in den Stubaier Alpen ausgelöst. Ich stand im Hang und war zum Glück am Seil. Die Situation – auch aufgrund anderer Spuren – war dann aber doch so unübersichtlich, dass wir Großalarm auslösen mussten. Binnen 30 Minuten hatten wir drei Helikopter, zwei Hundestaffeln und 26 Mann am Berg, die drei Stunden lang sondiert haben. Alle fünf Minuten kam einer der Helis mit Material wieder, musste eingewiesen und entladen werden. Im Hintergrund sondieren die anderen und man hofft nur, dass wirklich keine Person verschüttet wurde. Auch wenn ich den einfachsten Job hatte, ist es mental doch extrem anspannend.
Ich glaube aber, dass Emotio stärker ist als Ratio und schöne Momente immer noch die intensivsten Bergerfahrungen sind. Sei es, wenn man nach einem erfolgreichen Dreh im Sonnenuntergang mit dem Heli am Matterhorn vorbeifliegt oder wenn man einfach mit Freunden oder der Partnerin einen schönen Tag im Powder am Hausberg hat.

Was tust du, wenn dich auf deinen seltenen Besuchen in Hamburg das Bergweh überkommt?
Gott sei dank bin ich tatsächlich nurmehr im Sommer und nur selten in Hamburg. Von Oktober bis Mitte Juni ist für mich „Winter“ angesagt. In der verbleibenden Zeit wird dann die Lange To-Do-Liste abgearbeitet, die sich über den Winter angehäuft hat. Da steht meistens zu oberster Stelle eh das Surfen drauf. Ich konnte einen Großteil meiner Kindheit auf Sylt verbringen und komm mehr aus dem Wellenreiten. Mittlerweile bin ich dann im Sommer viel mit meinem Wave-SUP in Frankreich unterwegs oder eben in Hamburg auf der Alster – dann aber mit einem Race-SUP. Und wenn ich Zuhause mal Bergweh hab, steig ich einfach auf’s Rad und bin in 10 Minuten am Lift [lacht]…

Eine von Nicolas' Lines im Karwendelgebirge 2/3 (Foto: Delayon/Ania Wyzykowska)
Eine von Nicolas‘ Lines im Karwendelgebirge 2/3 (Foto: Delayon/Ania Wyzykowska)
Welche Tipps hast du für Hamburger mit Bergweh?
Für mich war glaube ich der Zugang und meine persönliche Einstellung zum Freeriden sehr wichtig. Im flachen Norddeutschland schaut man ja eher nur selten hoch oder runter. Das ist aber im Gelände genau das, wo die Gefahren lauern. Ich sitze ja gerade im Sessellift und hab beim letzten Run wieder erst einen Deppen gesehen, der meint, in der Vorsaison auf’m Gletscher zwischen den abgedeckten Spalten und in einem Lawinenzug einen Kicker schaufeln zu müssen. Viele sind leider ohne jegliche Erfahrung im Gelände und glauben, das Gebiet zu kennen, nur weil sie jetzt jeden Lift ein Mal genommen haben. Die Gefahr bei dem Sport lauert nun einmal leider entweder unter einem – Gletscherspalten oder lawinenauslösende Schwachschichten in der Schneedecke – oder über einem – Wächten und Steinschlag. Da braucht es einfach Übung und Erfahrung. Ich hab in den letzen zwei Wintern die Chance gehabt, mit Jeremy Jones und Samuel Anthamatten zu arbeiten. Dabei habe ich zum einen viel Technisches gelernt, aber auch, dass ein professioneller Umgang mit dem Risiko nicht automatisch heißt, dass man ruhig und passiv am Berg unterwegs sein muss. Sam ist Bergführer und macht mit Xavier De Le Rue die krassesten Sachen. Der entscheidende Unterschied ist glaube ich, sich der Gefahr und seinen eigenen Handlungen bewusst zu sein. Wir alle wollen in den Schnee und das so viel wie möglich. Daher mein Tipp: Training und Erfahrung am Berg – nicht im Internet und auch nicht in Hamburg (!) – sammeln. Und am Berg auch mal „Neins“ zu akzeptieren. Live to Ride another day!

Ok. Klingt vernünftig. Noch irgendwelche Spot-Tipps oder sonstige Empfehlungen für echte Berg-Nerds?
Für mich sind die Tiroler Berge und die Selkirks in British Columbia ein absoluter Traum. Es sind für mich zwei Orte, an denen ich mich von Anfang an sehr wohl gefühlt habe. Auch Zermatt und besonders Chamonix sind beeindruckend, angsteinflößend und extrem. Das Ski-Mountaineering ist für mich einfach die Königsdisziplin. Ich hab aber auch in diesem extremen Umfeld tolle Momente gehabt und hoffe, in den nächsten Jahren wieder mehr dort fahren zu können. Ich kann aber jedem nur empfehlen, nicht den Massen zu folgen, sondern seine eigenen kleinen Paradise in den Bergen zu finden. Jeder hat seine eigenen Präferenzen. Und ich rate jedem Snowboarder, irgendwann einmal Splitboarden auszuprobieren. Es ist eine komplett andere, viel gelassenere Herangehensweise – mich hat es jedenfalls stark geprägt.

Eine von Nicolas' Lines im Karwendelgebirge 3/3 (Foto: Delayon/Ania Wyzykowska)
Eine von Nicolas‘ Lines im Karwendelgebirge 3/3 (Foto: Delayon/Ania Wyzykowska)
Kurz vor Schluss noch ein wenig Platz für etwas, was du loswerden möchtest:
Auch auf die Gefahr, dass es nervt: In den letzten Jahren konnte ich einige tolle Orte auf dieser Welt besuchen und über längere Zeiträume beobachten. Überall wo ich bis jetzt war, sind mir extreme Zeichen des Klimawandels begegnet. Egal ob dies Gletscherschwund, der Anstieg der Baumgrenze oder einfach bestimmte Wettermuster gewesen sind, die in den letzten Jahren immer öfter und stärker auftreten. Mein Geographiestudium ermöglichte es mir, diese Anzeichen besser zu verstehen – doch sehen kann ich sie auch als Snowboarder oder ganz allgemein als outdoor-aktiver Mensch. Ich möchte hier nicht über den Einfluss des Menschen auf den globalen Klimawandel sprechen und werde niemandem sagen, er darf kein schickes Auto fahren oder so etwas. Nur: Die Gesellschaft, in der wir leben, ist gekennzeichnet durch absolute Verschwendung! Jede menschliche Handlung – egal ob Verschwendung oder nicht – hinterlässt ihre Narbe auf unserem Planeten. Es ist unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass diese Narben heilen können und unser Kinder eines Tages ebenfalls einen schönen Platz zum Leben haben. Ich sage das hier nicht als Geograph, nicht als Snowboarder der seine Winter gefährdet sieht und erst recht nicht als „Dramaqueen“. Ich sage das als verantwortungsbewusster Mensch, der diese Veränderungen sieht und sich gleichzeitig der Tatsache bewusst ist, dass Umweltverschmutzung im Allgemein ganz einfach deutlich verringert werden kann.

Das ist mal ’ne Ansage… Möchtest du noch jemanden grüßen?
Hallo Mama, Hallo Papa – guckt mal, ich bin im Internet!

Da jeder St. Bergweh Artikel mit einem Song endet, welches Lied soll unter diesem Interview stehen
und warum?

„I still haven´t found what i´m looking for“ von U2! Warum? No comment.

Tipp: Folgt Nicolas via Instagram unter @nicometz.

An alle St. Bergweh Leser: Du kennst einen echten Hamburger Bergsportverrückten? Oder bist selbst einer? Dann melde Dich doch bitte unter st.bergweh(at)gmail.com