Das Comeback von Open Wear

Der Grund für diesen zweiten Artikel über Open Wear und die Open One Freeride-Jacke liegt in drei Ereignissen, aus denen sich auch easy ein kleiner Hollywood-Film basteln ließe: Aufstieg, Fall und Happy End.

Im Juli 2016 starteten die zwei Holländer Martijn Jegerings und Chris Westen eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne für ihre Freeride-Jacke Open One, die in punkto Nachhaltigkeit, Qualität, Style und Preis ein echter Arschtritt für eine Branche war, die zu dieser Zeit Freeride- und Tourenbekleidung zu Sondermüll (z.B. Nutzung von Gore-Tex PFC/PTFE Membranen) und gleichzeitig Luxusprodukten (Preise um die 600-700 Euro) gemacht hatte. Im März 2019 dann der überraschende, aber für Open Wear typisch sehr offene und ehrliche Blogpost, dass das Experiment Open Wear gescheitert sei. Und nun, im Oktober 2022, das Happy End: Dank einer Partnerschaft mit den Snowcountry Gründern Thijs de Jong und Dennis van de Pol ist Open Wear mit der Open One 3L Shell Jacket (489 Euro) und Open One 3L Shell Pants (398 Euro) wieder zurück.

Skifahrer im Tiefschnee vor weißer Wechte bekleidet mit Open Wear Open One Jacke
Open Wear: „We believe that the way we ride powder today determines if we still can tomorrow“ (Foto: Open Wear)

Ich war jedenfalls 2016 sehr begeistert und habe nicht nur bereits damals einen St. Bergweh Artikel über Open Wear geschrieben, sondern ich war auch einer der ersten Crowdfunding-Unterstützer:innen – heißt: Ich habe bei der Kickstarter-Kampagne 2016 eine der ersten Open One Jacken bestellt, 2017 auch bekommen und seit dem bereits viele Tage getragen – wenn auch leider mehr in der Stadt als am Berg, aber das ist nun einmal auch das Schicksal eines Hamburgers.

„We decided it was time to shake up the industry.“

Open Wear Co-Founder Martijn Jegerings (2016)

Die Open One 3L Jacke ist eine Hardshell-Freeride-Jacke und wurde speziell fürs Tiefschneefahren im Backcountry und Ski-/Splitboardtorengehen entwickelt. Das neue biobasierte Xpore Xtreme 3L Außenmaterial soll über eine porenfreie Membran mit 25.000mm Wassersäule verfügen. Hergestellt wird das Xpore Xtreme Material laut Angaben von Open Wear in Hongkong unter fairen Arbeitsbedingungen und mit 58 Prozent Bio-PET und 42 Prozent Polyester. Da alle drei Schichten aus Polyester bestehen, wird ein kostengünstiges und einfaches Recyclingverfahren ermöglicht. Neu ist neben zusätzlichen Konfektionsgrößen und besagtem neuen Außenmaterial ein Rabatt-Punktesystem, mit dem loyale Kunden Geld sparen können. Ich selbst bin wie gesagt mit meiner Jacke sehr zufrieden: Das Schwarz ist noch schwarz. Einen Cut – hervorgerufen durch die Kante meines Splitboards – konnte ich easy reparieren lassen. Und ich finde, die Jacke hat im Einheitsbrei der Gore-Tex-Jacken ihren ganz eigenen markanten Stil gefunden.

Interview mit Open Wear

Ich bin offensichtlich ein zufriedener Kunde und großer Sympathisant der Marke – zugegebenermaßen also etwas befangen, aber das ist nun mal ein Blog, der stark auf persönlichen Werten und Einstellungen basiert und kein klassisches journalistisches Medium. Deshalb halte ich jetzt mal die Klappe und übergeben das Wort an den neuen Open Wear Brand Manager Ivar Nagel, dem ich einfach mal ein paar Fragen geschickt hatte. So könnt Ihr Euch vielleicht eher ein unverfälschtes Bild von Open Wear machen.

Porträtfoto Ivar Nagel, Brand Manager Open Wear
Ivar Nagel, Brand Manager Open Wear (Foto: Open Wear)

Hey Ivar, wie verliefen das Comeback von Open Wear und die letzten Wochen? Seid Ihr mit dem Ergebnis zufrieden?

Ivar: Das Comeback von Open Wear war ein ziemlich aufregender Moment für uns. Nachdem es lange Zeit still war um die Marke Open Wear, war es schwierig vorherzusagen, wie groß das Produktangebot zum Neustart sein sollte. Wir haben im Vorfeld viele Reaktionen aus unserer Community bekommen, dass nicht nur wir, sondern auch viele Menschen lange auf diesen Moment gewartet haben. Das gab und gibt uns Mut. Nun blicken wir auf einen schönen und hoffnungsvollen Re-Start zurück, denn die Community hat uns wieder einmal das Vertrauen geschenkt, unsere Produkte zu kaufen – das Comeback war also bis dato ein großer Erfolg. Aber natürlich hält der Schwung nicht ewig an. Deshalb sind wir jetzt damit beschäftigt, die Community zu vergrößern. Wir wollen keine Menschen, die bereits mit guten Produkten ausgestattet sind, dazu animieren, jetzt auch noch unsere Jacke oder Hose zu kaufen, Nein, wir wollen einfach denjenigen, die grad wirklich neue Sachen brauchen, eine schöne Alternative bieten. Wir freuen uns, wenn wir diese Leute in unsere Community aufnehmen können.

Im März 2019 habt Ihr Eure Community über das Ende von Open Wear informiert. Im Dezember 2019 folgte die Nachricht über die Zusammenarbeit mit Snowcountry. Und nun, im Oktober 2022, seid Ihr mit der neuen Open One Serie zurück. Wie und weshalb kam es zu dieser Kehrtwende?

Wir haben im März 2019 mit Open Wear nicht aufgehört, weil wir nicht mehr an das Konzept oder die Community geglaubt haben, sondern nur, weil sich die Umsetzung unserer Träume und Ideale in der Realität als unglaublich schwierig erwiesen hat. Als neue Marke wird man schnell mit der harten Realität des Geschäfts konfrontiert. Wir wollten aber keine Kompromisse bei der Qualität, Offenheit und Nachhaltigkeit unserer Produkte eingehen. Alleine weiterzumachen war daher keine Option mehr. Aufgeben fühlt sich nicht gut an, vor allem weil wir mit Open Wear wirklich etwas in dieser Branche bewegen wollten. Aus diesem Grund haben die Gespräche mit Snowcountry begonnen. Sie verstanden unsere Probleme und verfügten über die richtigen Ressourcen und Systeme, um die Schritte zu unternehmen, die wir allein nicht schaffen konnten. Besonders in den Bereichen Logistik und Lagerhaltung ist unsere Zusammenarbeit unerlässlich.

Produktfoto: Open Wear Open One 3l Shell Jacket in Blue Mirage
Open One 3L Jacket in Blue Mirage (Foto: Open Wear)

Neben der Nachhaltigkeit legt Ihr auch großen Wert auf Transparenz und die Community. Könnt Ihr erklären, warum?

Nachhaltigkeit und Transparenz sind Themen, die für uns sehr wichtig sind. Es war daher nie eine Frage, ob wir uns darauf konzentrieren wollen, sondern nur, wie wir sicherstellen können, dass dies tatsächlich der Fall ist. Wir sind überzeugt, dass jedes Unternehmen diese Themen in seiner DNA haben sollte. Es ist schwer zu glauben, dass echte Nachhaltigkeit und Transparenz auch heute noch Alleinstellungsmerkmale sind. Diese Zeit sollte schon hinter uns liegen. Wir hoffen auf eine Welt, in der wir dies nicht mehr zur Schau stellen müssen. Um an diesen Punkt zu gelangen, ist die Community für uns extrem wichtig. Als kleines Unternehmen sind Input und Feedback unglaublich wichtig. Wir können und wollen das nicht alleine machen. Außerdem wollen wir nicht in die gleiche Falle tappen, in der sich viele Marken zu befinden scheinen. Sie bestimmen für die Menschen, welche Produkte sie ihnen anbieten wollen. Wenn ein Produkt begehrenswert genug ist, wird es gekauft. Wir wollen Produkte herstellen, die die Menschen tatsächlich wollen und brauchen. Die Community steht also an erster Stelle. Auf diese Weise hoffen wir, sinnlose Überproduktionen zu minimieren.

Was waren die entscheidenden Punkte für Snowcountry, mit Open Wear zu kooperieren?

Da müssen wir etwas klarstellen: Nicht Snowcountry, sondern Dennis und Thijs, die Inhaber von Snowcountry, haben den Relaunch von Open Wear möglich gemacht. Wir sind super glücklich, dass die Beiden das Comeback von Open Wear möglich gemacht haben. Seit Jahren haben sie die Vision, schöne Produkte für Menschen auf der ganzen Welt verfügbar zu machen. Mit ihrem jetzigen Unternehmen Snowcountry setzen sie dies in die Tat um. In der aktuellen Branche, in der Produkte immer teurer zu werden scheinen, sahen Dennis und Thijs das Potenzial von Open Wear. Unser gemeinsames Ziel sind großartige Produkte, die für jeden zugänglich sein sollen. Ein niedrigerer Preis muss nicht auf Kosten von Qualität, Ehrlichkeit und Nachhaltigkeit gehen. Die Infrastruktur von Snowcountry hilft uns dabei.

Neue Open Wear Open One 3L Shell Jacken in fünf unterschiedlichen Farbvariationen
Die überarbeitete Open One 3-Lagen-Jacke, zu denen es natürlich auch noch die passenden Hosen gibt, in allen fünf ziemlich nicen Farben (Foto: Open Wear)

Was unterscheidet die neue Open One Serie vom Original? Und welche Rolle spielte Eure Community bei den Veränderungen?

Bei der Entwicklung der neuen Open One Serie war es das Ziel, nur Dinge zu ändern, die verbessert werden können. Man muss ja nichts reparieren, was nicht kaputt ist. Eine der wichtigsten Anpassungen ist die Wahl des Materials, das Herzstück der Jacke. Wir wollen, dass die Qualität so hoch wie möglich ist. Mit Xpore Xtreme haben wir nun das derzeit für uns optimale Außenmaterial gefunden. Eine Membran, die gleichzeitig wasserdicht und atmungsaktiv ist. Xpore hat dafür eine sehr hochwertige und nachhaltige Alternative geschaffen. Die Kombination aus Langlebigkeit und Qualität war für uns ein Muss. Das Design der Jacke gefiel der Community, so dass wir uns entschieden haben, es kaum zu verändern. Allerdings haben wir von der Community Tipps und Verbesserungsvorschläge im Bereich der Passform erhalten. Dieses Feedback haben wir sehr ernst genommen, was zu zwei Sondergrößen geführt hat. Die M Tall und die L Tall. Zwei Konfektionsgrößen, die noch besser auf die unterschiedlichen Körpergrößen und -formen von Menschen eingehen als nur das klassische S-XL Spektrum. Außerdem haben wir die Community wählen lassen, welche Farben die Jacken und Hosen haben sollen.

Gibt es konkrete Ziele für die nächsten Jahre?

Als Open Wear versuchen wir, Fast Fashion etwas entgegenzusetzen. Deshalb wir nicht jedes Jahr eine neue Kollektion rausbringen. Die Produkte, die wir verkaufen, bleiben relevant und wir passen sie nur dann an, wenn es wirklich sinnvoll ist, dies auch zu tun. Wir möchten jedoch unsere Produktpalette erweitern. In den kommenden Jahren wollen wir in der Lage sein, ein komplettes Freeride-Outfit anzubieten, das nachhaltig und transparent hergestellt ist.

Wie beurteilt Ihr die Fortschritte der Wintersportbranche mit Blick auf die große Herausforderung der Klimakrise?

Es ist ein Wandel im Gange. Immer mehr Marken entscheiden sich für nachhaltigere Produkte. Gleichzeitig schauen wir mit großer Hoffnung auf all die kleinen Start-ups, die genau wie wir die Branche verändern wollen. Es müssen jedoch noch große Anstrengungen unternommen werden. Wir versuchen, optimistisch zu bleiben, aber das Problem ist schon seit Jahren sichtbar. Die Schritte hätten schon längst eingeleitet werden müssen.

Drei Skitourengeher / Splitboarder beim Aufstieg bekleidet mit Open Wear Open One 3l Shell Jackets und Pants
Der Community-Gedanke und höchste Transparenz als Kernwert sind bei Open Wear im Markennamen verewigt (Foto: Open Wear)

Was muss die Industrie also anders machen – oder die Verbraucherinnen und Verbraucher?

Um als Industrie nachhaltiger zu werden, muss jeder Teil des Lebenszyklus eines Produkts sorgfältig untersucht werden. Angefangen bei den verwendeten Materialien. Dann bei der Herstellung und der Logistik. Viele Marken hören dort auf. Doch für die Entscheidungen, die Marken treffen müssen, sind auch die nächsten Schritte von großer Bedeutung. Wer wird das Produkt verwenden? Wie lange benutzt der Kunde oder die Kundin das Produkt? Was geht zuerst kaputt? Kann das repariert werden und wie kann das Produkt schließlich wiederverwendet oder recycelt werden? Es wird noch sehr lange dauern, bis die gesamte Branche eine nachhaltige Lösung für all diese Fragen gefunden hat. Glücklicherweise liegt unser Schicksal auch in den Händen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Wenn alle Verbraucherinnen und Verbraucher heute beschließen, mit ihrem Verhalten nicht weiter zur Verschlimmerung der Klimakrise beizutragen, können viel schneller echte Veränderungen erreicht werden. Zunächst müssen sich die Verbraucherinnen und Verbraucher fragen, ob der Kauf eines neuen Produkts wirklich erforderlich ist. Und wenn nicht: Dann sollte sie es nicht kaufen, so einfach ist das. Wenn sie jedoch wirklich ein neues Produkt brauchen, sollten sie die Möglichkeiten prüfen. Heutzutage gibt es für fast jedes Produkt eine nachhaltige Alternative. Auf diese Weise kann eine nachhaltige Industrie viel schneller Wirklichkeit werden.

ST. BERGWEH MUSIKVIDEO

Das obligatorische ST. BERGWEH Musikvideo, das traditionell jeden Blogbeitrag abschließt, passt vom Titel her perfekt: Loyal des amerikanischen Duos Odesza. Denn Loyalität entwickelt man gegenüber einer so authentischen Marke wie Open Wear schnell. Empfehlung: Gute Kopfhörer aufsetzen oder ordentliche Stereoanlage anschließen und dann mal so richtig auf- und abdrehen.

Odessa – Loyal