Gastbeitrag von William Albright aka Willi über eine meiner besten Entdeckungen der letzten Wintersaison – oder hat er mich entdeckt?
Björn bat mich, den Lesern von St.Bergweh meine Gruppe „Fischkoppriding“ vorzustellen, weil er glaubt die Community könnte durchaus interessant für euch sein. Tue ich ihm den Gefallen doch…
Ich habe Fischkoppriding gegründet, weil ich festgestellt habe, dass es unvermutet viele gute Ski- und Snowboardfahrer in Hamburg und Umgebung gibt. Das liegt hauptsächlich wohl an den Ferien im März, die Hamburg als einziges Bundesland offiziell als Skiferien deklariert hat.
Die Leute fuhren meistens schon seit jungen Jahren mit ihren Familien oder festen Gruppen jedes Jahr wieder für ein oder zwei Wochen in die Alpen und wurden dadurch teilweise wirklich gut. Sie wurden so gut, dass sie aus der Gruppe herauswuchsen und sich für Aspekte des Skifahrens interessierten, wo die anderen aus der Gruppe nicht mehr genug Interesse oder Können aufweisen konnten. Oder die Gruppen zerfielen langsam aufgrund von Umzügen, Elternschaften, keine Zeit mehr wegen Job etc.
So geschah es zumindest mir, nachdem meine zwei besten „Alles-Mitmacher“ in einem Jahr wegbrachen – der eine wegen Verletzung, der andere, weil er auf so unvernünftige Ideen kam wie Familie gründen. Scherz. Ich saß also alleine da: mit dem Kribbeln in den Beinen, den Träumen vom weißen Gold, den Schmetterlingen im Bauch, die mit einem fliegen, wenn man die Kante einer Klippe verlassen hat…
Ich schrieb alle Vereine in Hamburg an, durchsuchte Foren, suchte nach Facebookgruppen, um irgendwie Leute zu finden, die mit mir in den Tiefschnee wollten. Fehlanzeige! Es gab zwar viele Vereine – Hamburg hat sogar den größten Skivereinsverbund Deutschlands – aber es gab keine Gruppen, die wirklich Ambitionen hatten, ins Gelände zu gehen.
Es ist anscheinend wohl auch so, dass man sich als Hamburger nicht gerade groß über das Skifahren unterhält. Verständlich, denn Sätze wie „Hey, hast du Lust nächstes Wochenende mit uns Skifahren zu gehen?“ kommen hier leider distanzbedingt nicht oft in unserem Sprachgebrauch vor. Wie gesagt, man hat seine Gruppen, und wenn man sie nicht mehr hat, hat man ein Problem. Das war dann der Zeitpunkt, ab dem ich dieses Dilemma nicht mehr mit ansehen konnte. Ich musste etwas dagegen unternehmen. Ich erschuf Fischkoppriding!
Anfangs waren wir ca. 50 Personen. Einige von uns trafen sich zum ersten „Nördlichsten Lawinenkurs Deutschlands“. Wir sagten uns: „Hey, die meisten Übungen und sowieso die ganze Theorie können wir doch am Övelgönner Strand machen!“ Zwei Wochen später saßen wir an einem kalten nassen Herbsttag mit fünf Mann in der Strandperle und guckten uns ein Lehrvideo vom DAV an, liefen mit piepsenden, blinkenden, in Hamburg fremdartigen Geräten über den dunklen Strand und gruben unsere LVS-Geräte aus dem Sand aus, bevor die Flut kam. Erfolg! Wir waren unabhängig von den Bergen und konnten unsere Leute in unserer Heimatstätte ausbilden! Naja, zumindest in den meisten Aspekten vorbereiten.
Diesen Artikel schreibe ich, nachdem ich gerade von unserem mittlerweile vierten Fischkoppriding-LVS-Kurs zurückgekommen bin und kann nicht ganz ohne Stolz sagen, dass wir uns weiterentwickelt haben. Sowohl, was die Umsetzung eines LVS-Kurses angeht, als auch, bezogen auf die Gruppengröße: Mittlerweile sind wir über 250 Fischkopprider.
Neben den LVS-Kursen hier in Hamburg, haben wir bald mit gemeinsamen Reisen angefangen. Die erste Fischkoppriding-Reise wurde zwar in eine Woche gelegt, wo frischer Powder wahrscheinlich war. Aber wir hatten Pech und mussten nehmen was kam. Aus diesen Erfahrungen ist langsam die Strategie entstanden, wirklich spontan loszufahren – also wenn die Bedingungen stimmen und dann auch dahin zu fahren, wo die Bedingungen eben gut sind.
Ich persönlich und einige andere von uns setzen für diese Vorhersagen vor allem auf eine neue Seite im Netz: www.WePowder.de WePowder schneidert einem einen Wetterbericht zu, der perfekt für Powderverrückte ist, die nicht in den Alpen wohnen. Es gibt Powderalarme per App oder Facebook, die einem eine Woche vorher Bescheid sagen, ob es sich lohnt über das Wochenende runter zu düsen. Zusätzlich gibt es sogar noch Infos, in welchen Gebieten es am lohnendsten ist und auf welche Gefahren man achten muss. Diese Vorhersagen sind wirklich ein Segen für uns Flachlandtiroler.
Die Saison 14/15 wurde dann mit der neuen Strategie gestartet… – und was es für Ergebnisse gebracht hat… seht selbst:
Nach einem WePowder-Powderalarm steckten fünf Fischkopprider ihre Köpfe virtuell zusammen. Fünf Tage später trafen sich alle in einer kleinen, urigen Hütte mitten in einem kleinen unbekannten Skigebiet wieder und hatten Powder wie aus dem Film… Was die eine bayrische Gruppe, die wir durch alkoholgefördertem Zufall trafen, am unglaublichsten fand und was wirklich was Besonderes ist: Wir hatten uns größtenteils vorher alle noch nie gesehen und saßen jetzt trotzdem hier zusammen. Das Internet hat uns neue Wege eröffnet. Man muss nur die richtigen Ideen haben, den Arsch hochkriegen und was tun, dann können sich wunderbare Dinge daraus ergeben.
Ein weiterer völlig unvorhergesehener, abgefahrener Nebeneffekt ergab sich für viele von uns noch in der selben Saison. Wir posteten aus dem Urlaub heraus, wo wir waren. Einige waren nur ein Tal weiter, andere waren im selben Skigebiet. Und schon ergaben sich neue kleine Gruppenkonstellationen. Ich selbst setzte mich kurzerhand in mein selbstgebautes Zeltmobil und fuhr eine Woche durch die Alpen, immer mit dem Blick auf den perfekten Schnee mit den perfekten Fischkoppridern.
In der Woche fuhr ich mit acht Fischkoppridern in fünf verschiedenen Gebieten. Die meisten kannten ihre Skigebiete gut und führten mich zu den Secret Spots. Wir hatten zwischen den Wäldern die beste Zeit im Powder, während andere im Nebel lieber die Massenabfertigungshütten bevorzugt haben. Wir haben den frischesten Powder zerflügt, während sich andere um die letzten unzerfahrenen Lines neben den Pisten kloppten.
Andere Fischkopprider luden mich auf einer anderen spontanen Powder-Jagd in ihre leerstehende Luxuswohnung im Skigebiet ein und gingen mit mir auf ihren Hausberg. Die Hamburger Powder-Verrückten wissen untereinander, was in den Köpfen des jeweils anderen los ist… Egal ob Ski, Snowboard, Skitourengeher oder Telemarker – uns alle vereint die Sehnsucht nach dem weißen Stoke. Dieses Gefühl von Schwerelosigkeit zwischen den Turns, das Gefühl eine riesige Klippe runterspringen zu können (und trotzdem fluffig weich zu landen), der Speed, und … die Freiheit.
Beim Fischkoppriding-Flyer in Hamburg verteilen, habe ich viele begeisterte Gesichter vor mir gehabt: „Sowas habe ich schon immer gesucht!“ oder „Warum gab es sowas nicht schon früher?“ waren typische Reaktionen, die mir entgegengebracht worden sind. Ich glaube die Norddeutschen in der Gruppe sind einfach so froh, sich über ihre Leidenschaft, die von so wenigen verstanden wird, austauschen zu können, dass viele wirklich sehr bereitwillig sind, etwas für die Gemeinschaft zu tun!
Ende letzter Saison haben wir dann noch unseren ersten Bretterwachs-Workshop zustande gebracht. Ein Mitglied hatte Zugang zu einer Schiffslagerhalle im Hafen, mein Vater lud seinen Hänger voll mit Werkbank, Heizstrahlern und Skiwerkzeug und zeigte uns, wie wir unsere Bretter selber wachsen können.
Alle unsere Aktionen sind bisher ohne Geld ausgekommen. Für Fischkopprider, von Fischkoppridern ist angesagt. Und so gab es schon diverse Vorträge zu Lawinengefahr, gesponserte Parties, frei zur Verfügung gestellte Luxusseminarräume inklusive Getränke, Parties bei Fischkoppridern zu Hause inklusive Freibier…
Und auch die Facebookgruppe ist extrem aktiv. Lawinenunfälle werden analysiert und diskutiert mit Information aus erster Hand. Es werden einander Tipps gegeben zu guten Ärzten, guten Spots, guten Brettern. Spontan werden Urban Shredding-Aktionen verabredet, wenn denn mal Schnee in Hamburg fällt. Es gibt Infos, wenn günstige Reisen oder Ausrüstung irgendwo angeboten werden und die Powder-Alarme werden von mir regelmäßig gepostet, wenn sie für uns relevant sind. Grundsätzlich bekommt der norddeutsche Powder-Verrückte bei Fischkoppriding alle relevanten News aus der Bergwelt, die im Netz kursieren. Dafür sorge ich, indem ich fast jeden Tag die zahlreichen Meldungen aller einschlägigen Skionlinemagazine und Akteure in der Onlineskiwelt durchkämme.
Seit kurzem haben wir sogar eine extra Gruppe für Second Hand Gear, der „Fischmarkt“. Worüber ich mich aber noch mehr freue: die neue Wer-ist-wann-wo-Karte:
Sie ist der nächste Schritt dahin, die Leidenschaft am Freeriden mit Gleichgesinnten zu teilen. Dabei hat sich herausgestellt, dass sich auch relativ viele Einheimische – heißt Süddeutsche oder in den Alpen Wohnende/Arbeitende – eingeschlichen haben. Das freut uns umso mehr. Zum einen kriegen wir dann Infos aus erster Hand und zum anderen bestätigt es uns auch darin, dass wir mit unserer Gruppe auf dem richtigen Weg sind. Warum es da unten anscheinend eher weniger solche Gemeinschaften gibt? Vielleicht liegt es ja einfach nur daran, dass wir Norddeutschen aufgrund fehlender Berge vor Ort soviel Zeit haben, uns in der Theorie mit der schönsten Nebensache der Welt zu beschäftigen…
William (Willi) Albright
Ein einfacher Fischkopp, der die Norddeutschen Powder-Verrückten zusammen bringt
PS: Wer bock hat, hier ist die Tür:
facebook.com/groups/fischkoppriding/